Beiträge von Woelfchen

    Bremen, im Jahre 2050. Ich seufzte, saß auf einem Schlachtfeld. Der Dom, der Roland, alles war zerstört. Ich hatte bei einer verwesten Leiche Zigaretten gefunden und Feuer gab’s hier genug. So saß ich rauchend auf dem Bremer Marktplatz auf Ruinen, in der linken Hand einen Flammenwerfer, rechts eine Flasche Bier, die ich unversehrt gefunden hatte und mit viel Mühe geöffnet hatte. Ich dachte zurück, während ich über die Leichen sah, die nicht nur menschlich waren.



    Begonnen hat alles vor 5 Jahren. Ich hatte damals meinen 18. Geburtstag gerade gefeiert und war mit Freunden in einer Disco gewesen, als der Strom ausfiel. Wir dachten uns nichts dabei und ich war auf die Toilette gegangen, im Dunkeln Wasser lassen, war für mich kein Problem. Als ich jedoch wieder zurück in die Disco wollte, bot sich mir ein schrecklicher Anblick. Es war Panik ausgebrochen, blutende Menschen drängten nach draußen, überall lagen zerfetzte Leichen auf dem Boden und riesige Spinnen folgten den Schreien. Ich drückte mich an der Wand zum Ausgang und eilte die Treppen hinauf, in der Hoffnung dem Horror zu entkommen, doch als ich draußen stand, bemerkte ich, dass die Spinnen überall waren. Autos verursachten Unfälle, als sie versuchten den Spinnen zu entkommen. Überall rannten die Menschen schreiend weg, Leichenteile lagen auf der Straße und riesige Spinnen überwanden Entfernungen zu anderen Menschen. Ich hatte meine Freunde verloren und dachte schon, dass sie sich retten konnten, als hinter mir ein erstickter Schrei ertönte. Ich drehte mich um, Nelly stand hinter mir, die Augen ins weiße gedreht und nun erkannte ich, was los war. Ein riesiger Stachel hatte sich durch ihren Magen gebohrt, sie regelrecht aufgespießt und dahinter stand eine noch größere Spinne, die mich aus ihren Augen anfunkelte. Ich reagierte, stolperte und fiel zu Boden. Meine Hand tastete nach einer möglichen Waffe, während ich die Spinne im Auge behielt, die Nellys leblosen Körper nun beiseite warf und auf mich zu kam. Meine Hand packte etwas scharfes, ich griff zu, schnitt mich und zog es heran. Es war ein Stück Blech, von einem explodierenden Auto. Die scharfen Kanten schnitten mir ins Handfleisch. Als die Spinne sich aufrichtete und den Stachel zeigte, stieß ich das Blech nach oben und dieses drang ohne Probleme in den großen Hinterleib ein. Ein hohes langgezogenes Schreien erklang und ich ließ das Blech fallen und hielt mir die Ohren zu. Für einen Moment hielt das Szenario des Mordens ein, es war wie eingefroren, dann reagierten andere Spinnen. Die Spinne über mir taumelte zurück, grünschwarzes Blut floss auf den Boden, dann brach die Spinne zusammen. Ich stand auf, stützte mich ab, der Schmerz meiner blutenden Handfläche schien abzudämmen, doch ich wusste, dass der Schmerz zurückkommen würde. Ich lehnte mich an die Mauer. Der Abend hatte so gut begonnen und endete in einem Horrorfilm. Ich unterdrückte den Brechreiz und den Schwindel und hob den Kopf. Ich versuchte zu erkennen, wo ich hin konnte, dann atmete ich einmal tief ein, hustete und rannte los. Ich dankte Gott, dass ich mich nicht für meine hochhackigen Stiefel entschieden hatte. Immer wieder stolperte ich über Leichenteile, verlor das Gleichgewicht, doch immer wieder konnte ich mich rechtzeitig abfangen. Als ich schließlich am Bahnhof angekommen war, stockte mir der Atem. Das was einst der große neugebaute Bahnhof war, war eine einzige Trümmerruine. Ich spürte Tränen auf meinen Lippen, spürte, wie sie mir die Wangen runterliefen, doch ich stieg über die Trümmer hinweg. Scherben knirschten unter meinen Stiefeln, als ich durch den langen Gang ging. Die Lichter flackerten, aber sie waren an. Ich stieg durch eine Glasscheibe und schnappte mir eine Flasche Wasser. Ich öffnete sie und trank. Ich musste einen Plan fassen und dann erinnerte ich mich an den Waffenladen nahe der Hillmannpassage. Ich steckte mir eine weitere Flasche Wasser ein, griff mir einige Schokoriegel und lief los. Ich rannte, drehte mich nicht um, denn ich wusste, wenn ich mich umdrehte, würde ich fallen und sterben. Vor mir tauchte eine Spinne auf. Ich ging in die Hocke, rollte mich unter ihr durch, rappelte mich auf und rannte weiter. Meine Seiten schmerzten, mein Atem rasselte, aber ich rannte. Diesmal achtete ich auf meine Schritte, stolperte nicht, taumelte nicht und kam am Waffenladen an. Wie ich’s mir dachte, die Scheiben waren zerborsten. Ich blickte mich kurz um, dann betrat ich den Laden. Keine Spinne war in Sicht. Die Waffen waren hinter Glas und Gitter, ich durchwühlte Leichen und fand schließlich einen Schlüsselbund. Ich probierte mehrere Schlüssel durch, wusste das mir die Zeit fehlte, zwischendurch fiel mir der Schlüssel aus der Hand. Ich zitterte, Schweiß rann mir an den Schläfen entlang. Schließlich fand ich den passenden Schlüssel. Ich zerrte das Gitter beiseite und holte mehrere Gewehre heraus und Pistolen. Ich räumte die Patronenschachteln aus den Schubladen und kniete mich hinter die Theke, um die Patronen den Gewehren und Pistolen zuzuordnen. Ich hatte nie mit Waffen zu tun gehabt, außer im Counter Strike, aber das hier war Realität und kein Spiel. Ich stutzte, hörte etwas Knacken, Scherben. Ich hielt den Atem an, das Wesen hielt inne, dann wandte es sich ab, der Schatten wurde kleiner und verschwand. Ich atmete aus, schluckte, dann wühlte ich weiter. Ich riss eine Tasche aus dem Schrank, räumte Pistolen und Patronen da rein. Nicht weit entfernt lag ein Rucksack, von einem Kunden. Ich zog ihn heran, leerte ihn aus und warf die Patronen und die Pistolen dazu hinein. Dann folgte die Tasche mit den Gewehrpatronen. Ich schloss den Rucksack, schulterte ihn mir auf, dann nahm ich ein volles Magazin einer automatischen Pistole, lud die Pistole und verstaute sie in meinem Gürtel. Ich hatte vorgehabt mir einen Rock anzuziehen, habe mich schließlich für eine Hose entschieden und war froh. Ich öffnete dann noch einen anderen Schrank mit Messern. Ich nahm einige Dolche heraus, befestigte sie mir am Gürtel, dann warf ich mir ein Schwert um und ein Gewehrgürtel. Ich blickte an mir runter, ich hoffte es würde reichen, nun musste ich zurück zum Bahnhof, dort würde ich Schokoriegel und was zu trinken finden. Ich nahm mir die Pumpgun und trat auf die Straße raus. Ich sah keine Spinnen, aber das würde sich bestimmt bald ändern. Ich zitterte, meine Hand zitterte, Angstschweiß lief mir über den Rücken, ich atmete schwer, lauschte auf jedes Geräusch, achtete auf meine Schritte. Je näher ich dem Bahnhof kam, desto größer wurde meine Vorsicht. Mein Mund wurde trocken, aber ich wagte nicht, einen Schluck Wasser zu trinken und dann blieb ich stehen. Am Eingang des Bahnhofs hatten sich riesige Spinnen versammelt. Sie alle blickten zu mir. Ich schluckte, dann schoss ich. Die Spinnen schrieen auf, doch diesmal hielt ich mir nicht die Ohren zu. Ich lud nach und schoss noch mal, eine Spinne zerriss es in der Mitte, nun wurden die restlichen Spinnen nervös. Ich schoss noch zwei- bis dreimal, dann war der Bahnhofsvorhof wie leergefegt. „Mich kriegt ihr nicht kampflos!“ schrie ich über den Vorplatz, dann betrat ich den Bahnhof. In mir hatte sich in den letzten Minuten eine „Leckt – mich – doch – alle – am - Arsch“ Stimmung breit gemacht. Während ich zu dem kleinen Supermarkt ging, sprach ich mit mir: „Herzlichen Glückwunsch zu deinem 18. Geburtstag, Susan!“ Ich schulterte die Pumpgun, öffnete den Rucksack und warf wahllos Schokolade, Flaschen, Chips, Kaugummis, Zigaretten und andere Sachen, die sich dort anfanden herein. Dann durchstöberte ich die Leichen, fand weitere Rucksäcke, die ich mit mehr Süßigkeiten und Getränken füllte. Dann brach ich die Kassen auf, entnahm alles Geld, verstaute es in meiner Jackeninnentasche und schulterte die Taschen. Die Pumpgun schmiss ich weg und holte dafür zwei Pistolen hervor. Jetzt brauchte ich einen Wagen. Fahrstunden hatte ich schon welche gemacht, nur meinen Führerschein hatte ich noch nicht. Draußen vor dem Bahnhof, schoss ich auf eine Spinne, die sich mir näherte und mit dem 3. Schuss brach sie tot zusammen. Ich rannte zum Taxenstand, riss einen toten Taxifahrer heraus, warf die Rucksäcke auf den Beifahrersitz und stieg ein. Ich startete den Motor, legte den Gang ein und drückte aufs Gaspedal. Unter quietschenden Reifen fuhr der Mercedes los, raste über den Bahnhof Vorplatz. Ich riss das Steuer herum, der Außenspiegel am Beifahrersitz wurde abgerissen, als ich den Wagen versuchte unter Kontrolle zu bekommen, scheppernd setzte der Mercedes auf der Straße auf. Ich lenkte den Wagen zum Stern, mir war es egal, wo ich fuhr, Hauptsache ich fuhr. Ich drehte das Radio etwas auf, versuchte herauszufinden was passiert war. Musik, auf jedem Sender war Musik. Ich blickte auf die Straße riss das Steuer herum, der Mercedes schrammte die Mauer, doch so wich ich gerade noch dem verunfallten Bus aus. Ich musste nach Hause. Nach Achim. Ich fuhr auf die Autobahn. Hier war nichts zu sehen von Spinnen, hier fuhren Autos noch, wie sie fahren sollten, doch das hieß nichts. Ich blickte starr geradeaus, ich wusste nicht, wie schnell ich fuhr, ich wusste nur, dass ich plötzlich Polizeisirenen hörte. Ich blickte in den Rückspiegel und sah, dass ein Polizeiwagen hinter mir fuhr und mich zur Seite winkte. Ich fuhr auf den Standstreifen, zog die Handbremse an und stellte den Motor aus. Ich sah, wie der Polizist ebenfalls ausstieg und auf mich zukam. Ich öffnete die Fahrertür, stieg aus und erstarrte. Was sich hinter dem Polizisten abspielte, war grauenhaft. Mehrere 3m Spinnen rannten auf die Autobahn. Ich schrie auf, deutete nach hinten, dann sprang ich in das Taxi und startete den Motor. Ich gab Gas, löste erst später die Handbremse und blickte in den Rückspiegel. Eine 3m Spinne hatte den Polizisten überfallen. Ich musste nach Hause. Nun war mir alles egal, ich drückte das Gaspedal durch. Wenn die Spinnen auf Höhe Sebaldsbrück waren, konnten sie nicht mehr allzu weit von Achim entfernt sein. Als ich in Achim abfuhr, war die kleine Idylle vorhanden. Ich fuhr langsamer, das Auto fiel eh schon viel zu sehr auf. Die Häuser standen noch, Menschen spazierten noch herum. Ich fuhr in meine kleine Straße und hielt den Wagen an. Ich holte die Rucksäcke und die Waffen aus dem Auto und trug sie zu meinem Haus. Ich schloss die Tür auf. „Mum?“ Ich blickte raus, der Mercedes war nicht da, also waren sie einkaufen oder spazieren. Ich schloss die Tür, trug die Waffen in mein Zimmer und packte sie aus. Ich riss mehrere Sachen aus meinem Schrank, zog mich um, band mir meine Haare zusammen und begann die Waffen zu laden. Nachdem ich fertig war, zog ich meine schwarze Sporttasche heraus und packte die geladenen Waffen ein und zog mir meinen Mantel an. Dann holte ich eine weitere Tasche heraus und warf dort meine Klamotten rein. Ich blickte nach draußen. Nelly war tot. Ich schnappte mir ihren Autoschlüssel und alles Geld, was sich im Haus befand. Dann warf ich die Klamottentasche in den Kofferraum, packte 5 Böhse Onkelz CDs in den Cdwechsler und stieg ein. Die Waffentasche verstaute ich im Fußraum des Beifahrersitzes. Ich stellte den Sitz ein und blickte noch mal zum Haus. Dann fuhr ich aus meiner Straße heraus, die Sonnenbrille hatte ich aufgesetzt. Ich fuhr langsam, doch als ich auf die Hauptstraße fuhr, seufzte ich. Mehrere Polizeiautos hatten sich aufgestellt und beschossen mehrere große Spinnen. Ich wusste wo ich hin musste. Ich blickte auf die Tankanzeige. Erst musste ich tanken, dann musste ich zum Bundeswehrdepot in Walsrode.

    Die Bestimmung

    Ich wachte mit fürchterlichen Bauchschmerzen im Wald auf. Rhiannos stand neben mir und beobachtete mich sorgenvoll. Ich stand auf, das heißt, ich zog mich am Steigbügel hoch und schließlich auch in den Sattel. Ich weiß nicht wie lange ich hier gelegen hatte. Ich war zu schwach, um die Richtung anzugeben, also suchte Rhiannos den Weg. Ich hing im Sattel und vor lauter Anstrengung, mich im Sattel zu halten, tropfte mir der Schweiß von der Stirn. Plötzlich hielt Rhiannos an. Ich öffnete meine Augen und erblickte hohe Zinnen. Dann hörte ich Krach und merkte wie Rhiannos weiterging. Ich wusste nicht, ob er geführt wurde oder von alleine ging. Dann verließ mich meine Kraft und ich verlor meinen Halt. Ich rutschte aus dem Sattel und wurde aufgefangen.



    Ich wachte auf und lag in einem großen Himmelbett. Ich drehte meinen Kopf und sofort fing dieser an zu dröhnen. „Ruhig. Ganz ruhig.“ Eine Frauenstimme drang zu mir durch und beruhigte mich, denn sie kam mir bekannt vor. Ich schloss die Augen und ein kühles Tuch wurde mir auf die Stirn gelegt. Ich schlief ein und träumte. Im Traum war ich wieder bei den Engeln. Wir rüsteten uns zum Kampf. Ich schnallte mir gerade mein Schwert um, als Trafalgar auf mich zu trat. „Shanara, gib niemals auf. Wir werden immer bei dir sein, denn du bist wichtiger als du denkst.“ „Danke Trafalgar.“ Ich entfaltete meine Flügel und flog als erste von dem Felsenplateau. Anstatt aber hinaufzusteigen, fiel ich wie ein Stein in die Tiefe. Ich merkte, dass meine Flügel weg waren. Ich schrie auf und schoss schweißgebadet in die Höhe. Ich brauchte eine Zeitlang, um zu verstehen, dass ich noch immer im Bett lag. Neben mir saß eine junge Frau. Alyssa. „Geht es Ihnen gut, Shanara.“ „Alyssa, wo befinde ich mich?“ „In meiner Burg. Ihr Pferd hat sie zu uns gebracht, wohl gerade rechtzeitig.“ Ich stützte meinen Kopf in meine Hände. Jetzt fiel mir alles ein. Das Blut, ich hatte Taslars Blut getrunken und danach ging es mir so schlecht. Ich schlug die Decke zurück. „Meine Dienerinnen haben dir ein Kleid ans Fußende gelegt.“ „Wo ist meine Rüstung?“ „Nein, du kannst nicht weiterreiten.“ „Ich muss, Alyssa. Ist Carbot angekommen?“ „Ja.“ Ich nickte Alyssa zu und sah meine Satteltaschen auf dem Tisch liegen. Ich ging hin und holte meine Kampfausrüstung hervor. Ein weißes Leinenhemd, eine schwarze Lederhose, dazu schwarze hohe Stiefel. Ich zog alles an, band mir meine Haare mit einem Lederband zusammen. Dann ging ich in den Stall. Rhiannos sah gut gepflegt aus. Der Schecke wieherte mir fröhlich zu. Ich strich ihm über die Nüstern und nahm die Waffen vom Sattel. Meine gezackte Klinge sah stumpf aus. „Alyssa, habt ihr einen Schleifstein?“ „Ja in der Scheune. Ich bringe dich hin.“ Ich nickte. Zu einem Diener gewand, sagte sie: „Sorge dafür, dass ihr Pferd gesattelt und gezäumt wird.“ Dann öffnete sie eine große Holztür. Drinnen stand ein großer Schleifstein. Ich setzte mich hin und fing an, meine gezackte Klinge wieder auf Vordermann zu bringen. Alyssa stand neben mir. „Woher... ich meine, wer bist du Shanara?“ Ohne aufzublicken, verstand ich was sie meinte. Ich wusste, dass sich Tränen in ihren Augen bildeten und blickte starr auf meine Klinge. „Wenn ich wüsste, wäre ich nicht von zuhause fortgegangen, um mein Ich zu finden.“ Alyssa blickte nach draußen. Der Himmel bewölkte sich. Ich stand auf und legte meine Hand auf ihre Schulter. „Alyssa, wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich dir das gerne erzählen.“ „Ja, Shanara, denn auch ich weiß, nicht wer ich bin, aber du kannst hinausziehen und es in Erfahrung bringen, ich nicht.“ Ich nahm Alyssa tröstend in den Arm und strich ihr sanft über die Haare. „Ich komme wieder und berichte dir alles, dann wirst du losziehen können und ich werde deine Stelle übernehmen.“ Und dann lächelte sie mich an. Ein Lächeln, dass ich nie vergessen werde. Ich stieg in den Sattel und ritt los. Die Burg wurde mit jedem Schritt Rhiannos kleiner, bis sie nicht mehr zu sehen war. Doch leider wurde mit jedem schritt mein Herz auch schwerer. Doch ich durfte nun keine Schwächen zeigen, also trieb ich Rhiannos in einen Trab. „Sag, Shan, du willst wirklich deinem Wunsch folgen und dein Ich finden?“ „Ja, Trafalgar, ich muss wissen wer ich bin und in welchem Zusammenhang ich mit Alyssa stehe.“ „In welchem Zusammenhang?“ „Ja, denn ich weiß, irgend etwas verbindet Alyssa und mich und es ist nicht nur unser Aussehen.“ Trafalgar nickte. „Wir werden auf dich aufpassen. Alles Gute.“ „Ich danke euch und vor allem dir Trafalgar.“ Ich trieb Rhiannos an und ritt den Weg entlang. Plötzlich sprang eine alte Frau aus dem Wald hervor. Sie stand so überraschend auf meinem Weg, dass Rhiannos stieg und ich aus dem Sattel fiel. Ich rappelte mich auf, zog meinen Dolch und blickte die Frau wütend an. „Wenn es nicht wichtig ist, dann Gnade euch Gott, alte Hexe.“ Ich blickte sie finster an. „Bist du Shanara?“ Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Warum wollen sie das wissen?“ „Hier in der Nähe ist ein Lager. Dort befinden sich acht Krieger. Sie greifen die Bewohner im Walddorf an und vernichten sie. Hilf uns.“ Ich nickte, steckte den Dolch in den linken Stiefelschaft und ergriff die Zügel. „Ich werde euch helfen. Führe mich zum Dorf.“ Die alte Kräuterhexe ging vor und ich folgte. Sie führte mich durch Sumpfgebiet und Dickicht. Die Sonne stand schon knapp über dem Horizont, als ich das Dorf erblickte. Es waren nur noch einige Häuser instand. Ich ging seitlich den Abhang herunter und folgte der alten Frau dann zu einer Scheune. Sie klopfte dreimal an und die Tür wurde geöffnet. Man ließ uns ein und auch mein Pferd musste hereinkommen, damit die Nachtspäher ihn nicht sehen konnten. Es waren nicht mehr viele. Alte und junge Frauen, Kinder und alte Männer. Kein einziger Mann im mittleren Alter. Ich hörte mir ihre Geschichte an und stimmte zu, ihnen zu helfen. Im Morgengrauen wollten die Krieger wieder angreifen und den Rest des Dorfes dem Erdboden gleich machen. Ich bekam etwas zu essen und zu trinken und machte mich dann bereit zum Kampf. In der Nacht brach ich auf und schlich zum Lager. Es waren vier Zelte um ein Lagerfeuer aufgebaut. Zwei Krieger saßen Wache. Ich schlich heran. Der eine stand auf und ging zum Zelt und verschwand. Ich stand auf und schlich zum verbliebenen Wächter. Ehe er etwas begriff, sprudelte das Blut aus seiner Kehle. Er fiel zu Boden und ich fing ihn ab. Dann schleifte ich ihn in die Büsche. Ich zog mir seine Kleidung an und setzte mich an seiner Stelle an das Feuer. Kurz danach tauchte der zweite Wächter auf. Er setzte sich neben mich und stocherte im Feuer herum. Dann sprang er auf, zog sein Schwert und schrie laut auf. Ich folgte seinem Blick und verfluchte mich. Ich hatte den toten Wächter nicht gut genug Verschart. Ich rollte mich weg und zog während der Rolle mein Schwert, so dass ich den ersten Schlag parieren konnte. Von dem Kampf wachten auch die anderen auf. Ich zog die Klinge dem ersten Krieger durch den Magen, doch der zweite war schon dicht bei mir. Ich hatte gerade noch Zeit meinen Dolch zu ziehen, bevor die Schwertklinge knapp an meiner Schulter vorbei flog. Ich warf mich auf den Boden und schleudert den Dolch auf den Krieger, der mir am nächsten stand. Ich sah nicht, ob der Dolch traf, ich hörte nur noch den Fall des Kriegers. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem linken Oberschenkel. Ich schlug nach hinten und spürte wie sich das Blut über meine Hand verteilte. Dann stürzte der Angreifer auf mich. Ich drückte ihn weg und streifte damit den fünften Angreifer. Er schrie auf und ein Schatten huschte an mir vorbei. Ich wusste erst hinterher, dass es Rhiannos war. Er hatte dem Angreifer das Genick gebrochen, indem er seinen Kopf nach hinten schlug mit der Hinterhand. Das Knacken war so laut, dass ich dachte, ein Baum würde gefällt werden. Die restlichen drei bekamen es langsam mit der Angst zu tun. Zwei blieben unentschlossen stehen, der dritte floh. Doch ich war schneller. Meine Peitsche sauste durch die Luft und legte sich ihm um den Hals. Diese Peitsche war keine besondere, sie war gefertigt aus der Haut von Dämonenflügeln, die so scharf wie geschliffene Muscheln waren. Die Peitsche durchschnitt Knochen, Sehnen und Muskeln, als wäre es Wasser. Der Kopf fiel vom Körper und dieser brach zusammen. Das Blut färbte den Sand. Die anderen zwei drehten sich zu ihrem toten Kameraden um, doch sie hatten nicht viel Zeit. Die Dämonenflügelpeitsche durchschnitt den einen in der Mitte und der andere verlor durch zwei Schläge seine Arme und seinen Kopf. Ich schüttelte den Kopf, reinigte die Peitsche und mein Schwert. Die ersten Strahlen erleuchteten das Schlachtfeld und ich setzte mich auf einen Felsen. Rhiannos trabte zu mir. „Danke, mein treuer Freund.“ Rhiannos schnaubte und rieb seinen Kopf an meiner Schulter. Plötzlich wurde ich mir dem Schmerz bewusst. Ich fasste meinen Oberschenkel an und tastete ihn ab. Es war ein Glück nur eine Fleischwunde. Ein plötzliches Licht erschrak mich. „Das hast du gut gemacht Shanara.“ „Trafalgar, was ist los?“ „Du hast dem Dorf selbstsüchtig geholfen und dabei dein Leben eingesetzt. Das war eine Aufgabe. Nun reite zurück und erzähle Alyssa davon. Sie hat ihren Weg gefunden und wird ihn niemals auf solch einer Reise finden.“ Ich nickte und stand auf. „Trafalgar, wie geht es Taslar?“ „Sein Platz ist bei uns. Und nun reite der Sonne entgegen.“ Ich saß auf und trieb Rhiannos an. Rhiannos galoppierte an und ich blickte mit einem Lächeln dem Horizont entgegen. Ich freute mich auf meine Burg und mein Land. Die Sonne ging gerade unter und der Himmel färbte sich blutrot.

    Der Neubeginn

    Als ich die Augen öffnete, lag ich in einem Bett in einer Steinhütte. Ich richtete mich auf. Einzelne Sonnenstrahlen fielen durch das kleine Fenster. Ich stand auf und trat hinaus. Ich kannte diesen Hof. Er gehörte meinen Eltern. „Shan, du bist schon auf.“ Ich erschrak. Meine Mutter stand auf dem Feld. Sie bemerkte meine Überraschung. „Du musst Trafalgar danken. Er hat es möglich gemacht, dass wir zusammen ein neues Leben beginnen.“ Ich umarmte meine Mutter und rannte in den Kuhstall, wo mein Vater immer war, früher. Doch als ich den Stall betrat, war er nicht da. Ich blickte raus aus der Stalltür. Aber meine Mutter war noch da. Sie begoss die Blumen. Ich trat in die Wärme der Sonne und blickte zum Himmel. „Trafalgar, wieso habe ich ein zweites Leben erhalten, wieso war mein Vater nicht da? Trafalgar, wenn du mich hörst, so antworte mir.“ „Shan, dein Vater kann nicht zurück.“ Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Trafalgar hinter mir stand. Ich senkte den Kopf. Seine Hand legte sich auf meine Schulter, doch ich schlug die Hand weg. „Lass mich in Ruhe.“ Ich ging ins Haus zurück und holte meine Kampfrüstung aus der Truhe am Fußende meines Bettes. Ich zog mich an und legte meinen Waffengurt um. Dann steckte ich mir in die Stiefelschäfte meine Dolche und band mir um die Oberschenkel meine Dolchgurte. Unterarm Gamaschen zierten meine Unterarme und eine Peitsche hing aufgerollt neben meinem Dolch links. Meine Mutter stand in der Tür. „Du willst wirklich losziehen? Ich hatte deine Rüstung aufbewahrt, weil ich wusste, dass du reiten wirst.“ „Mutter, ich...“ „Nein, geh ruhig. Ich habe deine Geschichte erfahren, von Trafalgar und er wird auf mich aufpassen. Dein Hengst steht im Stall, gesattelte und gezäumt.“ „Ich danke dir Mutter.“ Ich umarmte meine Mutter und ging in den Stall um meinen Schecken zu besteigen. Er blickte mich an und verstand. Ich ritt aus dem Stall hinaus. Meine Mutter reichte mir noch ein Esspaket. „Pass auf dich auf, Shanara.“ „Ja Mutter.“ Dann trieb ich meinen Schecken in einen Galopp. Ich blickte geradeaus, warf keinen Blick zurück. Erst als ich im nächsten Dorf ankam, zeigte ich Gefühlsregungen. Es roch nach verbranntem Fleisch und überall brannte es. Ich stieg ab und durchschritt die Asche. Ich kniete nieder und hob einen Teddybären auf. Er hatte nur noch ein Auge und keine Beine. Ich schüttelte den Kopf, warf den Teddybären weg und stieg wieder auf. Dann ritt ich gemächlich vom Tatort weg. Nervös tänzelte mein Hengst herum. Das verbrannte Fleisch machte ihn ängstlich. Ich hielt die Zügel straff und hatte immer Kontakt zum Maul. Plötzlich hörte ich weiteres Hufgetrappel hinter mir. Ich zügelte meinen Schecken noch mehr und drehte mich im Sattel um. Ein Falbe tauchte am Horizont auf. Ohne Reiter, aber gesattelt. Er galoppierte an mir vorbei. Ich trieb meinen Schecken an und verfolgte das Pferd. Es war schnell, aber mein Pferd war das schnellste. Wir hatten den Falben schnell eingeholt. Ich ergriff die Zügel und bremste meinen Schecken ab. Der Falbe stieg, beruhigte sich aber schnell. Ich stieg ab und strich dem Falben die Mähne aus den Augen. Er schnaubte und ich gab ihm einen Apfel. „Woher kommst du und wo ist dein Reiter?“ Ich warf die Zügel über den Kopf, stieg auf meinen Hengst und ritt los, den Falben im Schlepptau. Doch je näher wir dem Ort kamen, von wo der Wallach kam, desto nervöser wurde dieser, bis er sich schließlich weigerte weiterzugehen. Rhiannos, mein Schecke, wurde mit jedem Schritt ebenfalls nervöser und völlig unerwartet stieg er auf die Hinterhand. Ich konnte mich gerade noch im Sattel halten. Ich stieg ab und ließ beide Zügel los. Dann zog ich mein Schwert mit der gezackten Klinge und schlich vorwärts. Wir waren inzwischen in einem Wald angekommen und weiter vorne war eine Lichtung. Ich setzte mich in ein Gebüsch und beobachtete. Auf der Lichtung brannte ein Feuer. An diesem Feuer saßen acht Krieger. Ich schlich zu den Pferden zurück. Die Krieger waren nicht schwer bewaffnet. Ich könnte mit allen fertig werden, aber waren das die einzigen, oder gab es noch mehr davon? Waren sie nur die Vorhut einer ganzen Armee? Ich strich Rhiannos über die Mähne und blickte zurück zur Lichtung. Ich musste mir einen Plan überlegen und der musste gut sein und vor allem musste er mir schnell einfallen. Ich zog den Falben und meinen Schecken weiter weg von der Lichtung in den Wald hinein. Dort sattelte ich beide ab und rieb sie trocken und gab ihnen etwas zu fressen. Dann setzte ich mich an einen Baum. Ich traute mich nicht, ein Feuer zu entfachen. Die Nacht brach herein und ich schlich zurück zur Lichtung. Jetzt waren nur noch drei Krieger da. Wo waren die restlichen fünf geblieben. Plötzlich knackte es. Die restlichen Krieger traten hervor und hatten Rhiannos und den Falben bei sich. „Wen habt ihr denn da mitgebracht?“ „Zwei Pferde, sie liefen frei hier herum. Die können wir gut gebrauchen.“ „Gut binde sie bei den anderen fest. Morgen greifen wir das Dorf an und holen uns den Jungen und die junge Frau.“ „Wann brechen wir auf?“ „Bei den ersten Sonnenstrahlen. Unser Kriegsherr will beide sehen. Die junge Frau soll echt super sein.“ „Wie heißt sie?“ „Ihr Name lautet Alyssa und der Junge heißt Carbot.“ „Okay. Legt euch schlafen. Ich übernehme die erste Wache.“ Ich hatte genug gehört. Ich rannte aus dem Wald. Das nächste Dorf. Es war nicht weit entfernt. Wenn ich rannte, dürfte ich es in zwei Stunden erreichen. Also beeilte ich mich. Die Nacht war noch jung, also hatte ich noch Zeit. Als ich die ersten Dächer erblickte, nickte ich zufrieden. Ich holte ein paar mal tief Luft und rannte dann weiter. Wie in jedem Dorf war auch hier eine Taverne. Ich trat ein. Auch diesmal verstummte jedes Gespräch. Ich trat an den Tresen und fragte den Wirt, ob er Carbot und Alyssa kennen würde. Er nickte und schickte mich zum nächsten Bauernhof. Alyssa war mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Der Bauer blickte mich zuerst verwirrt an, aber als er seinen Irrtum bemerkte, entschuldigte er sich mit einer tiefen Verbeugung. Er ließ mich ein und rief Alyssa und Carbot herunter. „Worum geht es, edle Kriegerin?“ „Hier im Wald kampieren Krieger, die Alyssa und Carbot zu ihrem Kriegsherr bringen sollen. Ich habe sie gesehen und biete euch nun an, dass ich die Stelle Alyssas einnehme. Ich weiß, dass Alyssa in drei Tagen ihr Erbe antreten soll und ich kann mir denken, dass die Krieger das verhindern wollen.“ Ich wartete auf die Antwort. Alyssa antwortete: „Ich danke dir, Kriegerin für dein Angebot und nehme es dankend an. Aber ich bitte dich pass gut auf Carbot auf.“ „Das werde ich tun edle Dame.“ Alyssa und ich gingen nach oben und sie gab mir ein Kleid von sich. Ich zog es an, ließ aber die beiden Dolche in meinen Stiefeln stecken. Dann frisierte sie meine Haare und schließlich kamen wir die Treppe herunter. Der Bauer und seine Frau staunten nicht schlecht und auch Carbot verwechselte uns zuerst. Alyssa bekam ein Pferd und ritt noch vor Morgengrauen los. Als die Sonne halb über dem Horizont stand, griffen die Krieger an. Niemand im Dorf, außer der Bauer, seine Frau und Carbot wussten von dem Verwechslungsspiel. Ich trat vor den Anführer und sprach laut und deutlich: „Was wollt Ihr, Krieger, in diesem friedlichen Dorf?“ Carbot stand neben mir. „Wir wollen Euch und Euren Bruder. Nichts weiter. Wenn ihr uns begleitet, so verschonen wir das Dorf und alle seine Bewohner, wenn nicht, dann kann ich für meine Leute nicht mehr garantieren.“ „Nun, dann begleiten wir Euch, wo auch immer Euer Weg uns hinführt.“ Wir saßen auf die Pferde auf und der Zug ließ das Dorf unbeschadet zurück. Ab und zu wurden uns die Augen verbunden, damit wir nicht sahen, wohin wir ritten. Ich aber hörte manchmal etwas Wasser. Ich ritt auf Rhiannos. Er hatte mich zwar erkannt, aber den Wink verstanden und ließ sich nichts anmerken. Plötzlich ging es bergab. Man hatte uns erneut die Augen verbunden. Als wir wieder sehen konnten, befanden wir uns in einer großen Burg. Man half mir vom Pferd herunter und brachte ihn in den Stall. Carbot ging neben mir her. Er war tapfer. Wir wurden in eine große Halle geführt und sollten warten. Dann zogen sich zwei Wächter zur großen Tür zurück. Ich blickte mich um. Die Halle war mit Teppichen ausgelegt, so dass jedes Geräusch und jeder Schritt verschluckt wurde. An den Wänden hingen große Ölbilder und die Decke war mit den feinsten Engeln bemalt. Die Fensterfront befand sich zu unserer rechten. Ich trat einige Schritte heran und merkte, dass es schon wieder dämmerte. Wir waren einen ganzen Tag unterwegs gewesen. Als ich jedoch noch näher an die Scheibe wollte, trat ein Wächter auf mich zu. Seine Hand ruhte auf dem Schwertgriff. Ich ging zurück und nahm Carbot in den Arm. „Nein wie rührend.“ Ich fuhr herum und blickte erschrocken dem Gesicht Taslars entgegen. 'Trafalgar, ist auch er wiedergeboren?' „Alyssa, meine edle Lady, ich freue mich, dass Ihr Euch hier eingefunden habt.“ „Was wollt ihr von mir, Taslar?“ „Oh, Ihr kennt mich schon? Dann brauche ich mich ja nicht mehr vorzustellen.“ Am Liebsten hätte ich ihn jetzt schon ermordet, aber ich musste der echten Alyssa die nötige Zeit geben, also hielt ich mich zurück, wenn es mir auch nur schwer gelang. Wir wurden auf unser Zimmer geführt. Es war zwar wunderschön, aber es war unser Gefängnis. „Sag, wie heißt du wirklich?“ Carbot saß auf dem Bett und beobachtete mich. „Mein Name ist Shanara. Ich bin eine Kriegerin.“ „Shanara, ein wunderschöner Name.“ Ich blieb in der Mitte des Raumes stehen und blickte Carbot an. Als ich damals die Krieger belauscht hatte, dachte ich das Carbot ein Junge von vielleicht 10 Lenzen sei, aber ich hatte nicht erwartet, dass er ein junger Mann von vielleicht 17 Lenzen war. Er lächelte mich an und ließ sich auf das Bett fallen. „Sag Shanara... ich darf dich doch so nennen, wieso hilfst du uns?“ Ich seufzte und trat zum Fenster. Unten im Hof wurden Übungen gemacht. „Ich helfe euch, weil ich das Gefühl habe Alyssa seit Jahren zu kennen. Ich hatte eine jüngere Schwester, die mir ebenfalls glich, aber in frühen Jahren verschleppt wurde. Nun weißt du warum.“ Carbot wollte etwas sagen, aber ich deutete ihm an, still zu sein. Die Tür wurde geöffnet und Taslar stand in der Tür. „Alyssa ...oder wer du auch sein magst. Du bist nicht Alyssa.“ Ich lächelte müde. „Ja, du hast Recht Taslar, ich bin nicht Alyssa. Ich bin Shanara.“ Mein Name machte Eindruck, denn er ging einige Schritte zurück. „Du bist tot Shanara.“ „Nein, ich habe ein neues Leben erhalten, denn du hast mich gezwungen.“ Ich zog die zwei Dolche aus meinen Stiefeln und riss das Kleid an beiden Seiten auf, so dass ich besser kämpfen konnte. Mein Blick war hart und fixierte ihn. „Angriff.“ Die Wächter von Taslar griffen an. Der erste, der sich in meine Nähe traute, zog ich den Dolch durch den Magen. Ich hatte die Dolche so in der Hand, dass die Klingen nach oben zeigten und an meinem Unterarm anlagen. Den zweiten übersprang ich, landete hinter ihm, sprang hoch und drehte mich um meine eigene Achse, so dass er von meinem Fuß im Gesicht erwischt wurde und gegen die Wand flog. Doch da war schon der dritte hinter mir. Er ergriff meine Arme. Ich warf mich auf den Rücken, rollte über ihn weg und stach zu. Die Klinge steckte in seinem Magen. Ich zog die Klinge nach oben und drehte sie herum. Ich zog sie heraus und durchstach den vierten Krieger. Die Klinge ragte hinten aus dem Rücken heraus und meine Hand befand sich zur Hälfte im Körper des Mannes. Das Blut lief an meinem Arm herunter. Ich wirbelte den Krieger herum und zog den Dolch heraus. Nun war nur noch Taslar übrig. Ich stand inmitten der Leichen und das Blut rann in große Seen auf dem Boden. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht. Es hatte sich von dem Haarband gelöst. „Nun Taslar? Willst du es mit mir probieren?“ Er warf mir ein Schwert zu und befahl mir ihm zu folgen. Ich richtete mich auf, steckte die Dolche zurück in die Stiefelschäfte, nachdem ich sie gereinigt hatte und fing das Schwert auf. Ein Krieger stieß Carbot hinter uns her. Unten auf dem Hof hatten sich die Krieger versammelt. „Hört mich an, meine treuen Mannen. Shanara und ich werden kämpfen. Wenn ich gewinne, wird von Shanara und Carbot nichts mehr übrig sein, sollte sie gewinnen, dürfen beide unbeschadet fortgehen. Natürlich darf Shanara ihren Hengst mitnehmen.“ Ich blickte das Schwert an, warf es von einer in die andere Hand und behielt es schließlich in der rechten Hand. Taslar warf sein Schild weg und zog sein Schwert. Die ersten Schläge waren nur zum üben, aber dann wurden sie stärker. Plötzlich schlug Taslar so stark zu, dass ich fast zu Boden ging. Ich drehte mich weg und trat Taslar zu Boden. Er richtete sich auf, bekam aber sofort meinen Schwertknauf auf den Hinterkopf. Benommen blieb er liegen. Sofort rannten Krieger mit gezogenen Schwertern auf mich zu. Carbot schrie auf. Ich sprang ab und schlug einen Salto, um hinter ihnen zu landen. „Hier bin ich Leute.“ Ich zog einen Dolch und schlug den ersten Angreifer zurück. Doch schon war der nächste da. Er griff von hinten an. Ich drehte mich um und trat ihm meinen Fuß in den Magen. Er stöhnte auf und fiel zu Boden. Doch plötzlich war der erste wieder hinter mir. Er hielt mir seine Schwertklinge an die Kehle. Ich rammte ihm meinen Dolch in den Brustkorb. Drehte ihn einmal um und zog sie wieder raus. Das Blut durchtränkte mein Kleid. Ich drehte mich weg und der Mann fiel zu Boden. Dem nächsten zog ich meine Klinge durch die Kehle. „Halt.“ Taslar stand auf. Sein Mundwinkel war angeschwollen. Er lächelte, doch dieses Lächeln sah hässlich aus. Er zeigte mit der Schwertklinge auf mich und seine Krieger traten zur Seite. Ich keuchte schon, richtete mich aber dennoch auf und berührte mit meiner Schwertklinge die seine. „Du willst also weiterkämpfen?“ „Bis zum Tod des einen.“ „Nun gut, dann stirb, Hure.“ Sein erster Streich drang in meine linke Schulter ein. Ich schrie auf und parierte den nächsten Schlag. Dann landete ich einen Streich in seiner rechten Schulter. Sein Schwert schlug mit lautem Klirren auf dem Boden auf. Ich holte aus und schlug Taslar den Kopf von den Schultern. Das Blut spritzte heraus und bedeckte den Rest meines Kleides und den Steinboden. Ich ließ das Schwert fallen und kniete neben dem Leichnam Taslars nieder. Tränen rannen mir die Wangen herunter. Carbot blieb neben mir stehen. Er hatte Rhiannos am Zügel. Ich hob den Leichnam Taslars hoch und legte den Kopf und das Schwert darauf. Dann stieg ich auf. Carbot saß auf einem Braunen auf und zusammen verließen wir die Burg. In einem Eichenhain bremste ich Rhiannos ab. „Carbot, du bist frei. Nun folge deinem Weg zu Alyssa und reite schnell wie der Wind.“ „Aber...“ „Kein aber, Carbot. Reite. Ich habe meinen besten Freund ermordet und werde ihn nun begraben. Geh nun, dieses Ritual muss ich alleine durchführen.“ Carbot blickt mich an, doch ich gab seinem Pferd einen Klaps auf die Hinterhand, so dass der Braune in einen starken Galopp verfiel. Ich legte den Leichnam nieder. Dann grub ich ein großes Loch in den Waldboden. Ich streute eine Art Sand hinein und schlug das Kreuz in die Luft. „Shanara. Trotz des Hasses, das Taslar dir entgegenbrachte, beerdigst du ihn in Erde, die du geheiligt hast.“ „Trafalgar, er war mein bester Freund und wird es immer bleiben. Er hat es verdient in geheiligter Erde zu ruhen.“ „Nun, was wünschst du ihm noch Shan?“ „Ich wünsche, dass ihm alle Sünden vergeben seien und er einmal in seinem Leben etwas Gutes tun kann.“ „Beende deinen Zauber und ich nehme ihn mit ins Reich der Engel.“ Ich holte aus der Satteltasche Rhiannos einen Tonbecher und füllte ihn mit dem Blut Taslars. Dann trank ich sechs Schlucke. Ich schnippte mit den Fingern und Taslars Leichnam war unter der Erde vergraben und Trafalgar verschwand mit seiner Seele

    Die Rache


    „NEIN!“ Ich stürzte mich über die Kante und versuchte die Hand von Race zu erreichen. Sie fiel immer schneller zu Boden. Ich legte meine Flügel an die Seite und gewann an Schnelligkeit. Kurz vor dem Aufprall konnte ich die Hand von ihr fassen und breitete meine Flügel aus. Der unerwartete Widerstand bremste uns stark ab und schleuderte uns sogar einige Meter wieder nach oben. Ich zog Race hoch und hielt sie im fest Arm, als ich wieder Richtung Wolken flog. Sie zitterte am ganzen Körper und legte ihren Kopf an meine Schulter. Ich strich ihr über die Haare und landete sanft auf der Wolkendecke. Race war eine von den Schutzengeln. Sie besaß eigentlich weiße Flügel, aber durch einen Unfall verlor sie diese. Ich als Erz Engel habe schwarze und bin die einzige mit silbernen und perlmuttfarbenen Federn in den Flügeln. Wir gingen zurück zum Palast und ich schickte sie in die Höhle. Dort bekommt man seine Flügel wieder. Plötzlich fiel ein Schatten auf den Boden. Ich drehte mich gar nicht um, da ich schon wußte, wer es war. „Warum?“ „Weil sie meine Freundin ist.“ Der Schatten und sein Besitzer gingen weg. Ich atmete tief ein und ließ mich auf einen Felsen fallen. Die Wolken sollten nur unseren Wohnort verdecken. Wir wohnten nicht wirklich auf Wolken und hatten auch keine Harfen in der Hand. Wir waren zwei Arten von Engeln. Die Schutzengel, die wirklich in weißen Gewändern umherliefen und weiße Flügel hatten und wir, die Erzengel, mit schwarzen Flügeln und in Kampfanzüge gehüllt. Wir sorgen dafür, daß Seelen, die ins Himmelreich kommen, nicht von den Dämonen abgefangen werden. Manchmal versagen wir, aber dann holen wir die verlorenen Seelen zurück, solange es noch möglich ist und sie in der Quelle der Reinheit geheilt werden können. Das klappt nicht immer, aber dafür doch sehr oft. Ich richtete mich auf und erblickt das Gesicht von Race. Ihre neuen Flügel erstrahlten in einem schneeweiß. Ich stand auf und sie fiel mir um den Hals. „Es ist schön, daß du wieder bei uns bist, Race.“ „Roman, ich freue mich auch. Das habe ich alles nur Shan zu verdanken.“ Roman mochte mich nicht, aber das war kein großes Geheimnis. Doch Race' zu liebe, unterdrückte ich meinen Haß auf ihn so gut wie möglich. Ich lächelte Race an, entfaltete meine Flügel und flog Richtung Boden. Ich wollte nicht in die Hölle, sondern einfach nur nachsehen, was auf der Erde los war. Ich landete und zauberte meine Flügel weg. Die Menschheit war nicht so gut auf Engel zu sprechen, das hatten wir schon oft genug erlebt. Ich warf meine Haare nach hinten und ging los. Ich war in der Wildnis gelandet, damit sich niemand erschrecken würde. Im nahegelegenem kleinen Dorf lebten nur Bauern. Eine Taverne stand ziemlich am Anfang des Dorfes und ich trat ein. Es war dunkel und leicht stickig. In einer Feuerstelle flackerte ein Feuer. An Tischen saßen die größten Raufbolde und tranken Bier und Wein. Ich trat an den Tresen und bestellte ein Wasser. Der Wirt blickt mich verwirrt an, aber als er mein Schwert erblickte, gehorchte er. Das Schwert hatte eine gezackte Klinge und die Hand wurde von silbernen Flügeln aus Metall verdeckt. Dort wo die Klinge anfing prangte eine schwarze Rose. Es war das berüchtigte Schwert des Clans der geflügelten Rose, dessen Oberhaupt ich war. „Hey Süße.“ Ich drehte mich um und eine Bierfahne erschlug mich fast. Ich musterte den groben Kerl und dachte mir meinen Teil. Er hatte Schwierigkeiten stehen zu bleiben und schwankte leicht hin und her. Er wirkte abstoßend auf mich und ich trat einige Schritte zurück. Doch er war schneller, trotz des großen Alkoholeinflusses. Er ergriff meinen Arm und hielt mich fest. Sein Griff war fest und wurde mit jeder Minute fester. Ich versuchte mich zu befreien, doch er lockerte seinen Griff nicht. Ich drehte mich ihm zu und ließ mich auf den Boden fallen, mit dem Rücken zuerst. Dann stieß ich ihm meinen Fuß in den Magen und warf ihn über mich rüber. Er ließ los und fiel laut schreiend auf den Tavernenboden, wo er dann regungslos liegenblieb. Ich stand auf,klopfte mir den Dreck von der Hose und rieb mir meinen Arm. „Shan.“ Ich drehte mich erschrocken um und blickt direkt in Taslar's graue Augen. „Ich freue mich, dich wohl behalten zu sehen.“ „Taslar, wie geht's dir?“ Wir reichten einander die Hände und setzten uns an einen Tisch. Taslar war ein alter Kriegergefährte von mir. Wir hatten Seite an Seite gegen das Böse gekämpft, doch dann folgte Taslar dem Weg des Kriegsgottes und unsere Wege trennten sich. Erst danach wurde ich getötet und ein Engel, aber das wußte Taslar nicht. Er konnte gehört haben, daß ich gefallen war, würde es jetzt aber für ein Gerücht halten, was mir nur recht war. Draußen brach die Nacht herein, als Taslar mir erzählte, daß er mit seinem Heer ganz in der Nähe kampierte. Er hatte die Aufgabe bekommen, dieses Dorf zu 'schützen', wie er mir berichtete. „Willst du nicht mitkommen?“ „Nein, Taslar, ich muß noch heute abend weiterreisen.“ „Ohne Pferd? Dann nimm wenigstens ein Pferd von uns an.“ „Sehr gerne Taslar.“ Er bezahlte und zusammen gingen wir zu den Stallungen. Ich bekam einen Braunen und ritt nach einem herzlichen Abschied los. Ich ritt aber nicht weit weg, weil ich tief in mir wußte, daß dieses Dorf nicht sicher war. Man würde es niederbrennen und die Leute ohne Ausnahme ermorden. Ich saß ab, so daß ich das Lager beobachten konnte, dann legte ich mich nieder, um etwas zu schlafen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen auftauchten, wachte ich auf. Ich blickte zum Lager. Noch schliefen die Krieger. Ich hörte Schritte hinter mir. Ich griff langsam zu meinem rechten Stiefel, zog den Dolch heraus, drehte mich um und erschrak. „Roman, ich hätte dir fast die Kehle durchtrennt. Erschreck mich nie wieder so.“ Er blickte mich an, sagte aber nichts, dann fiel er mir in die Arme. Aus seinem Rücken ragte ein Pfeil. „Oh gott.“ Ich ging in die Knie und legte Roman hin. Ich schloß seine Augen. Wut brannte in mir auf. Ich konnte Roman nie richtig leiden, aber er kämpfte Seite an Seite mit mir und nun,... Ich schrie innerlich auf. Dann entfaltete ich meine Flügel, die durch den Schmerz wieder sichtbar wurden, hob Roman auf und trat auf das Lager zu. Die Krieger, die Wache hielten, erschraken und einer blies in sein Horn. Sofort war das ganze Lager in Aufruhr. Vor dem Anführer, Taslar, ließ ich Romans Leichnam fallen. Dreck spritzte auf. Taslar blickte mich an. „Was soll das, Shan?“ „Du hast ihn ermordet, Taslar, du oder einer deiner Männer und DAS war dein größter Fehler.“ Er richtete sich auf, seine Hand ruhte auf dem Schwertgriff. Doch bevor er ziehen konnte, hatte er meine Klinge an seiner Kehle sitzen. „Leg dich niemals mit den Erz Engeln an. Wenn es Krieg gibt, habt ihr den kürzeren gezogen.“ Ich steckte das Schwert zurück in die Scheide, hob den Leichnam hoch und flog zurück zur Wolkendecke. Die Engel waren in heller Aufruhr. Als ich die Felsenhöhle betrat, wurde es still. Race rannte auf mich zu, freudestrahlend. Als sie aber Roman auf meinen Armen sah, blieb sie stehen. Dann brach sie zusammen. Ein Schrei durchbrach die Stille und der Boden erzitterte leicht. Ich schloß die Augen und ließ den Leichnam auf den Boden sinken. Dann blickte ich mich um. Race saß vor mir, die anderen Engel standen um mich herum. Jeder hatte den Kopf zum letzten Gedenken gesunken und nur das Schluchzen von Race und das Heulen des Windes waren zu hören. Ich ging zu Race, kniete mich hin und strich ihr über das Haar. Dann stand ich auf und flog raus. Ich mußte alleine sein. Ich wußte schon lange, daß Race und Roman ein Paar waren, aber ich hätte nie gedacht, daß Race mir das verschwiegen hatte. Ich ließ mich auf einem Felsenplateau nieder und kniete mich hin. Meine Waffen legte ich ab, ebenso meine Kampfrüstung. Ich wußte, daß Romans Körper sich in den nächsten Minuten auflösen würde und das Volk der Erz Engel sich zum Kampf vorbereitete. War ich aber bereit zu kämpfen. Zu kämpfen gegen Taslar? Ich wußte es nicht. Ich betete zum höchsten Gott, dann kleidete ich mich wieder an, legte meine Waffen an und flog zurück zur Höhle. „Da bist du endlich, Shan. Es ist soweit, die Menschen haben einen der unseren grundlos angegriffen. Wirst du mit uns kommen und Roman rächen?“ Ich blickte in die Runde, die Schutzengel standen hinter mir. Race in erster Reihe. Sie sah blaß aus. Ihre Augen aber blitzten wütend. „Ja, ich werde kämpfen und Romans Tod rächen.“ Race nickte mir fast unmerklich zu. Ich trat auf sie zu und nahm meine Kette mit der Goldmünze ab. „Nimm dies, als Zeichen, daß ich Roman rächen werde.“ Ich gab ihr einen Kuß auf die Stirn und folgte den anderen Erz Engeln. Wir landeten nahe des Kriegslager, welches noch immer am gleichen Platz stand. Die Krieger waren noch nicht weg oder schon wieder da. Wieder ertönte das Horn , doch es verstummte schnell, nachdem Oljas dem Wächter die Kehle durchtrennt hatte. Taslar kam heraus gerannt und blieb stehen. Meine Klinge zeigte auf seine Kehle. „Du Hure. Ich werde dich töten.“ „Du vergißt ich bin schon tot und habe nichts zu verlieren und wenn ich dein ganzes Heer niedermetzeln muß, der Schuldige wird darunter sein.“ Das Volk der Engel hatte sich hinter mir versammelt und die Krieger Taslars trauten sich nicht, sich einzumischen. „Du siehst Taslar, was uns die alte Frau damals sagte, wurde Wirklichkeit. Sie sagte uns, daß wir einst als Feinde gegenüber stehen werden, nicht im Spiel, sondern im Ernst. Und einer wird von uns gehen, doch wird dieser jemand nicht dort landen, wo sein Freund ist. Du wirst gehen und deine schwarze seele wird nur Einlaß in die Hölle bekommen. Sollte ich gehen, werde ich nie wieder auf die Erde zurückkommen, aber ich habe den Tod meines Kampfgefährten gerächt.“ Auf Taslars Stirn bildeten sich Schweißtropfen. „Ich habe befohlen den Engel zu töten.“ Meine Hand zitterte. „Warte, Shan.“ Ich biß die Zähne zusammen. „Er wird seine gerechte Strafe bekommen, aber nicht durch dein Schwert, auch wenn Race es besser fand. Wenn du ihn nun tötest, wirst auch du leiden.“ Ich zog das Schwert durch, Taslars Kehle brach auf und das Blut quoll hervor. Im gleichen Moment verbrannten meine Flügel. Vor Schmerzen schrie ich auf. Doch ich hatte Race geschworen, den Tod Romans zu rächen. Die Engel um mich herum verschwammen. Ich hörte die Stimme Trafalgars, sie verschwand im Nebel.

    (c) 2008


    Die Schwerter blitzten im letzten Strahl der Sonne. Die Kämpfer standen sich gegenüber, schätzten den Gegner ein, seine Kräfte. Der eine machte einen Ausfallschritt nach vorne, prüfte die Reaktion des anderen. Der Andere parierte, doch die Schwerter trafen nicht aufeinander. Ein Scheingefecht. Dann umrundeten sie einander. Am Rande stand eine Frau. Sie beobachtete angstvoll die beiden. Absätze klickten auf dem Steinboden der Arena. Ein älterer Herr, gut gekleidet hob beschwichtigend die Hände. Ohne zu blinzeln fuhren die Schwerter in die Richtung des nahenden Mannes. Sie blickten einander an, Blut tropfte auf den Boden. Der Unterkörper sackte in die Knie und fiel mit dumpfem Ton zu Boden, der Oberkörper lag etwas entfernt. Die Frau schrie auf, hielt sich die Hand vor die Augen. Die Gedärme quollen auf den Boden, eine Blutlache bildete sich. Dann der erste Schritt nach vorne, die Klinge fuhr hoch, der Gegner stöhnte auf, griff sich an den Arm. Die Frau zuckt zusammen. Sie ist nur Zuschauer und Preis für den Sieger. Am Rand, im Wald eine Bewegung, ein leises Sirren, übertönt von den aneinander geratenen Klingen. Die Frau blickt runter. Ihr Herz durchbohrt von einem Pfeil. Sie sackt gen Boden, die Kämpfenden bemerken nichts. Sie kämpfen weiter, Finten, Angriffe, Paraden. Dann der letzte Schlag, der Kopf rollt weg, das Blut spritzt heraus. Ein leises Sirren, ein Pfeil, der sich sein Ziel sucht. Der Sieger dreht sich dem nahenden Tod entgegen und hebt die blutverschmierte Klinge...



    Die Angst liegt in der Luft. Unruhe tritt in der Herde auf, Schweife schlagen, Hufe stampfen. Unruhiges Gewieher. Gespitzte Ohren. Der Wind weht über die Ebene, das Gras rauscht. Die Kinder spielen. Das Lachen dringt zu den Häusern. Dann kurze Stille. Ein Schatten. Die Herde rast los, das gleichmäßige Trommeln der Hufen beruhigt etwas. Die Kinder zeigen auf die Herde, bemerken den Schatten nicht. Sie klatschen in die Hände, dann rennen sie selbst. Fort von dem Gefühl der Angst, doch diese verfolgt sie. Die Wölfe verlassen ihr Versteck und jagen hinter der Beute her. Knurrend und bellend. Der Leithengst, ein Grauer führt seine Schutzbefohlenen in eine Schlucht, nicht wissend, dass es eine Falle ist. Die Kinder drängen sich aneinander. Vier Kinder, ein Junge, drei Mädchen. Der Mann lacht höhnisch, das Heulen der Wölfe wird vom Winde über das Land getragen, hallt zwischen den Wänden wider. Verängstigtes Wiehern, dann der Angriff des Leithengstes. Die Wölfe werden überrascht. Der erste Wolf landet mit einem Knacken an der Wand. Gebrochene Knochen. Die anderen greifen an. Das Schreien der Kinder wird von den Müttern nicht gehört. Das Messer blitzt auf. Das erste Kind liegt mit offenen Augen am Boden, blutig und die Angst im Gesicht. Der Hengst wehrt sich aus Leibeskräften, wiehert auf, doch während er sich noch wehrt, beginnt das Festmahl. Der Mann erhebt sich, wendet sich von seinen Opfern ab. Vier tote Körper, doch dann sieht er den Bruder. Blicke werden getauscht, dann greift der Bruder an. Der Mann, überrascht, reißt das Messer hoch. Die Wölfe hören ein wütendes Schnauben, ein weiteres Pferd greift ein, stellt sich auf die Hinterbeine, der Leitwolf springt ihm entgegen...



    Leere Straßen und das Flackern einer kaputten Laterne. Am einen Ende der Straße stehen zwei Wagen. Die Motoren röhren auf, die Reifen qualmen und quietschen, als die Flagge gen Boden sinkt. Die Menge jubelt, der Benz und der BMW rasen nebeneinander her. Die Tachonadel bewegt sich gen zweihundert Stundenkilometer. In einer Seitenstraße steht ein Polizeiwagen. Der Fahrer beißt herzhaft in einen Donut, als der Funkspruch durchkommt. Dem lautstarken Fluchen folgen zwei Kaffeebecher und ein angebissener Donut. Der Motor wird gestartet und die Augen sind auf die Straße geheftet. Dann rasen die beiden Wagen vorbei, der Streifenwagen setzt sich dahinter. Die beiden fahren fast zweihundertzehn Stundenkilometer, der Streifenwagen nur hundertfünfzig. Benz und BMW überholen einander, lassen die Stadt hinter sich. Die Straße führt zu einem Abhang. Rechts ragen Felswände hoch, links geht es steil herunter und der Streifenwagen gibt auf. Dann gerät der BMW ins Schleudern. Er rast mit derselben Geschwindigkeit gegen die rechte Felswand. Nur ein Krachen, dann die Explosion. Der Feuerball, Metallteile fliegen umher. Der Fahrer? Verbrannt. Der Benz gerät an dieselbe Felswand, Funken fliegen, der Fahrer verliert die Kontrolle des Wagens. Der Benz gerät ins Schleudern und rast auf ein Schild zu: DEAD END Der Fahrer öffnet die Tür, will aussteigen, bleibt hängen, der Wagen rast ungehindert weiter. Der Mund öffnet sich zum Schrei und er zerrt weiter, bis der Ärmel reißt und der Fahrer springt...



    Der Himmel war mit dunklen Wolken behangen, doch der Regen blieb aus. Draußen wehte ein kalter Wind, aber in der Kneipe war es schön warm. Im Hintergrund lief leise Musik, man hörte das Rollen der Billardkugeln. In einer Ecke stand ein Tisch, an dem zwei Personen saßen. Auf dem Tisch stand ein Becher Kaffee, ein Glas Cola und ein Aschenbecher. Die junge Frau hatte einen schwarzen langen Rock an und dazu einen schwarzen Blazer. Der Mann ihr gegenüber war ebenfalls in schwarz gekleidet. Er hatte ihr eine Frage gestellt und sie versuchte nun die Antwort zu finden. Er wollte es wissen, die Wahrheit, doch sie wollte es nicht erzählen und schwieg. Das Geräusch eines sich entzündenden Streichholzes unterbrach die Stille, er blickte sie an. Dann glomm die Zigarette auf. Die Frau nestelte nervös an ihrer Kette, die sie um den Hals trug, herum. Sie schwieg und spürte den Blick auf ihr ruhen. Schließlich gab sie sich einen Ruck. Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern, doch für ihn gut hörbar. "Ich liebe dich noch immer, doch ich weiß, dass diese Liebe keine Zukunft hat. Es fällt mir schwer, dich zu vergessen. Du raubst mir alles, den Schlaf, den Verstand. Ich komme hierher, nur um dich zu sehen, doch deine Nettigkeit mir gegenüber macht es noch schlimmer. Du warst der Erste und niemand kann dir das nehmen. Und ich war froh, dass du der Erste warst. Ich kann nicht glauben, dass es nun vorbei ist. Ich weiß, es ist meine Schuld, aber es war ein Fehler, den ich NIE wieder zurück nehmen kann." Die junge Frau senkte den Kopf, Tränen stiegen ihr in die Augen. Mit erstickter Stimme fuhr sie fort, während er sie bewegungslos anstarrte. "Es ist Fassade. Ich verschanze mich hinter dieser Fassade, um dem Leben zu zeigen, dass ich es schaffe. Aber ich schaffe es nicht. Ich bin zu schwach, auch wenn ich es nicht zugebe. Ich helfe anderen, damit sie nicht die gleichen Fehler wie ich machen. Und jeder denkt, ich kann über so etwas hinwegsehen und sei stark. Ich verberge mein Leid." Das Schluchzen schüttelte ihren Körper. Der Mann erhob sich, blickte auf sie hinab, während sie ihr Gesicht in den Händen verbarg. "Ich liebe dich!" flüsterte sie und blickte hoch. Der Mann wollte zur Tür gehen, zögerte, streckte die Hand nach ihr aus...

    Vergangenheit

    Vorgeschichte:

    Geboren wurde Aljas unter dem Namen Yanthra in tiefster Kälte, weit im Norden des Landes. Dort wo Eis und Schnee Gang und Gebe waren. Das Alphapaar Riska und Arianos wurden Eltern von 5 Welpen, doch das Glück sollte nicht lange halten, als Erina das Rudel fand und sich ihm anschloss. Nur 1 Monat nach der Geburt der 5 Welpen forderte Erina Riska heraus. Da diese noch sehr viel Energie in die Aufzucht ihrer Welpen steckte, war unaufmerksam, so dass die Rivalin sie mit Leichtigkeit besiegen konnte. So begann für Riska das Leben als Ausgestoßene, als Rabenwolf. Riska lebte nur noch für ihre Welpen, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, alle 5 aufzuziehen, so gab sie die jüngste und kleinste, Yanthra, in die Obhut einer anderen Wölfin, deren Welpen alle bei der Geburt gestorben waren. Riska glaubte nicht daran, dass Yanthra überleben würde, sie war so klein und schwach. Yanthras Pflegemutter, Schenna, hatte in aller Heimlichkeit ihre toten Welpen vergraben, nur Riska wusste davon und so wuchs Yanthra als „Tochter“ von Schenna auf. Mit 3 Monaten wurden Yanthras Geschwister von Erina getötet. Sie hatte Angst, dass die Welpen ihr den Alphaplatz streitig machen würden. Yanthra bekam dies nicht mit, denn Schenna hielt sich stets am Rande auf, um ja nicht in die Schusslinie zu geraten. Schenna erzog die Kleine wie ihre eigene Tochter und gab alles dafür, dass die kleine weiße Wölfin eine Chance bekam zu überleben. Da diese ihr einziger Welpe war, war dies kein Problem. Yanthra entwickelte sich prächtig, vor allem war sie wissbegierig und hinterfragte vieles, was Schenna ihr beibrachte. Doch stets blieb sie kleiner und drahtiger als ihre Geschwister es hätten sein können.

    Im Alter von 2 Jahren sollte es sich dann ändern. Yanthra ging, genauso wie die anderen Jungwölfe los zur Jagd. Dieses Ritual gehörte zur Eingliederung in das Rudel, doch Erina sah mit Hass und Eifersucht auf die weiße Wölfin, die im Stillen den Namen Mondschnee erhalten hatte. Erina war eifersüchtig auf das schöne Fell von Yanthra und schmiedete einen Plan. Während alle Wölfe sich um den Aufbruch der 5 Jungwölfe kümmerten, verschwand Erina und blieb auch lange weg. Wo sie war, wusste keiner. Arianos sah mit Schmerz, wie seine einzige Tochter sich von Schenna verabschiedete und auch Riska mit einem sanften Blick beachtete, doch ihn ignorierte sie. Yanthra war nervös. Die Einführungsjagd würde einige Tage dauern und Yanthra musste zeigen, was sie konnte, auch als die Kleinste. Die anderen Jungwölfe bedachten Yanthra mit einem verachtenden Blick, doch das störte sie nicht. Nachdem alles Wichtige geklärt war, ging es los. Es war mittags, als die 5 Wölfe Richtung Sammelplatz der Rentiere loszogen. Yanthra lief am Ende der kleinen Gruppe, sie legte nicht viel Wert auf deren Gesellschaft und zog sich zurück. Der Sammelplatz befand sich 3 Tagesreisen entfernt vom Wolfsrudel.


    In dieser Zeit kehrte auch Erina zum Rudel zurück, zufrieden und siegessicher lächelnd. Arianos gefiel das überhaupt nicht und setzte Erina unter Druck bis sie auspackte. Erina warf triumphierende Blicke zu Arianos. „Fast ist es soweit. Deine alte Gefährtin ist aus dem Weg, deine verquere Brut ist tot und die Einzige, die mir mein Ansehen streitig macht, wird sterben. Dieses falsche Biest von Wölfin wird nicht mehr zurückkehren.“ Doch Arianos hörte nicht mehr zu, sondern rannte los, folgte den Jungwölfen auf ihrem Weg zur Jagd. Die Jungwölfe hatten einen Vorsprung von einem Tag, doch Arianos war ein schneller Läufer und gönnte sich kaum Rast. Er holte die Jungwölfe ein, doch der lange Lauf zehrte an seiner Kraft. Kurz bevor er auf die Truppe stieß, wurden die Jungwölfe überfallen. Ein Rudel Wölfe attackierte die Gruppe und gingen bevorzugt auf Yanthra los. Arianos wusste, dass Yanthra keine Chance hatte. Er sammelte nochmal seine letzten Kräfte und legte einen letzten Sprint hin. Just in dem Moment, als ein großer schwarzer Wolf mit gefletschten Lefzen auf Yanthra lossprang, warf sich Arianos dazwischen.


    Yanthra stand stocksteif da, wusste nicht, was sie machen sollte, als 6 große schwarze Wölfe auf sie zuliefen. Yanthra hatte von Schenna gehört, dass ihr Rudel in Zwietracht mit einem anderen Rudel lag. Sie nannten sich die Madjarenwölfe und waren blutrünstige Krieger, doch sie dachte es sei einfach nur eine Geschichte. Nun stand sie also der Geschichte gegenüber. Während 3 der Wölfe sofort auf die Jungwölfe los gingen, trennten die anderen 3 Yanthra von der Gruppe. Ihre Augen blitzten, ihre Lefzen waren gezogen und Geifer troff von ihnen herunter. Yanthra staunte nicht schlecht. Die Wölfe waren fast doppelt so groß wie sie. Sie selbst maß ein Stockmaß von gerade mal 45 cm, noch, denn sie war noch nicht ausgewachsen, doch sie war im Wachstum. Sie ging zurück, Schritt für Schritt, Pfote für Pfote. Einer der Wölfe spannte sich an und setzte zum Sprung an und Yanthra blieb stehen, versteinert. Das Kampfgetöse rückte in den Hintergrund und nur der Wolf war noch wichtig, der sie ansprang. Doch bevor er sie erwischen konnte, wurde er abgeblockt. Ein Wolf warf sich dazwischen. Yanthra erkannte erst nach wenigen Sekunden, dass es Arianos war, ihr Alpha. „Lauf.“ Keuchte er. „Lauf meine Tochter und verlasse dieses Revier. Du bist hier nicht mehr sicher.“ Tochter? Yanthra wusste nicht mehr was war, doch schon war der nächste Feind da und Yanthra drehte sich um und lief. Ihre Pfoten flogen nur so über den Schnee, da sie leicht war, sackte sie nicht tief ein und hinter ihr folgten die 2 schwarzen Gegner. Der Schnee stob auf, doch Yanthra warf keinen Blick zurück. Sie keuchte, atmete schwer, doch sie rannte, bis ihre Lungen brannten, bis ihre Läufe drohten wegzubrechen. Sie wurde langsamer und verkroch sich unter einer Schneewehe. Dank ihres Fells verschmolz sie mit dem Versteck und die Gegner, die kurz darauf vorbeikamen, übersahen sie. Yanthra blieb noch einige Tage in diesem Versteck. Die Gegner kamen zurück und verschwanden. Arianos hatte geschrien ‚meine Tochter‘, also war er ihr Vater? Dann war Riska ihre Mutter und die getöteten Welpen ihre Geschwister. Yanthra brauchte Zeit, um das zu verkraften. Sie hatte auf einen Schlag ihr Rudel, ihre Familie, ihr Revier verloren.


    Nach fast 1 Woche traute Yanthra sich heraus. Der Hunger trieb sie, doch was hatte sie gelernt? Das Jagen? Ja, sie konnte Mäuse und Hasen jagen, aber keine Großtiere. Den Durst hatte sie besiegen können, in dem sie Schnee fraß. Doch nun verlangte ihr Magen etwas Essbares. Yanthra wusste nicht wohin. Sie wollte einfach nur weg und so schlug sie den Weg gen Süden ein, weg von dem ihr bekannten Land in eine unsichere Zukunft. Die Reise war beschwerlich, sie hatte kein Glück mit dem Wetter, Schneestürme und manchmal der Glaube, sie hätte ein böswilliges Heulen gehört. Fast ein halbes Jahr wanderte sie alleine herum, verschloss sich allem und jedem gegenüber. Stieß sie auf Wolfsfährten, wandte sie sich ab, weg von der Spur. Sie traute keinem Wolf mehr, hatte Angst. Sie mied jede Art von sozialem Kontakt. Das halbe Jahr veränderte sich Yanthra von Grund auf. Allerdings war dies eine negative Wandlung. Von der wissbegierigen, fröhlichen Wölfin war nur ein kleiner Teil noch übrig. Sie war verängstigt, leicht verbittert und wütend. In diesem Zustand traf sie auf Lunar, einen ruhelosen Wolf. Skepsis machte sich breit und sie zog die Lefzen, zeigte spitze Zähne und ein Knurren, welches aus der tiefsten Seele des Körpers drang. Lunar blickte die Wölfin verwundert an, doch er ließ sich nicht abschrecken. Er sprach sie zwar nicht an, aber er folgte ihrer Fährte lange Zeit, ehe Yanthra ihn akzeptierte. Die beiden Wölfe kamen sich näher. Es stellte sich heraus, dass Lunar von den Wölfen der Zeit kam und auf der Suche nach einem neuen Revier war. Yanthra begann Lunar zu vertrauen und folgte ihm in ein Tal, welches strahlend hell war. Lunar hatte das Tal des Lichts gefunden und dort ließen sich beide Wölfe nieder. Nach und nach kamen Wölfe hinzu und so entstanden die Wölfe des Lichts. Yanthra und Lunar als Alphas. Beide Wölfe waren noch jung, doch sie nahmen die Aufgabe an. Das Rudel war noch jung, als eine neue Wölfin das Rudel fand. Ihr Fell war so grau, wie das Gestein, doch in ihren Augen blitzte das freudige Leben auf. Es waren nicht mal 2 Monate seit der Gründung vergangen. Yanthra und Lunar waren fast 3 Monate zusammen unterwegs gewesen. 5 Monate kannte Yanthra nun also Lunar und sie wurde schnell belehrt, dass diese Bindung, dieses Vertrauen fatal war. Lunar wandte sich von ihr als Wölfin ab und zeigte offenes Interesse an der neuen Wölfin Neraniada. Yanthra war sie ein Dorn im Auge, doch anstatt offen dagegen anzugehen, zog sich Yanthra zurück, verschloss sich erneut.


    Eines Tages ging die Sonne blutrot auf. Lunar war nicht an ihrer Seite und auch Neraniada und zwei weitere Wölfe waren verschwunden. 2 Streuner, die 3 Tage zuvor als Gäste im Revier aufgetaucht waren. Die rote Sonne machte Yanthra nervös und sie begab sich auf die Suche. Erst gegen Mittag fand sie den toten Körper von Lunar. Sie ging ohne eine Gefühlsregung auf Lunar zu und witterte. Ein Knurren drang aus ihrer Kehle, als sie Neraniada’s Witterung aufnahm. Verächtlich warf sie einen letzten Blick auf den toten Körper, ehe sie sich abwand und sich schickte, das Tal zu verlassen. Am Ausgang hob sie den Kopf und heulte. Ihre sanfte Stimme wurde von den Wänden zurück geworfen und drang zu dem Rudel. ,Lunar ist tot und mit ihm die Wölfe des Lichts. Zieht eure Wege oder verweilt hier. Ich wünsche euch eine Zukunft.‘ Damit wandte sie sich ab und ließ das Tal zurück. Sie war nicht mal 3 Jahre alt. Dieser schwere Schlag versetzte Yanthra in eine Art Trancezustand. Ein erneuter Verlust, etwas, was sie wirklich hasste. So lief sie einfach weiter, folgte keinem bestimmten Pfad, reagierte weder auf den Tag, noch auf die Nacht. Sie rastete nicht, sie fraß nicht. Diesen Zustand hielt sie aber nicht lange an. Ohne Nahrung würden ihre Organe versagen und auch ihre Kraft. Doch das war ihr egal. Das Fell wurde stumpf und verfilzt und eines Tages brach sie einfach zusammen. Das Leben flackerte aus ihren Augen und sie wollte sterben.


    „Irgendetwas rührt sich in meinem Wald.“ Die schneeweiße Wölfin blickte ihre schwarze Freundin an. Beide Wölfe waren ungewöhnlich groß und beide waren ungewöhnlich aggressiv. Sie standen auf einer blutgetränkten Lichtung. In seiner Mitte ruhte der Kadaver eines Hirsches. Die weiße Schnauze war blutgetränkt. Sterni, so wurde sie genannt, war die Hüterin des Blutwaldes. Caillean, ihre Freundin fand hier eine Zuflucht, als sie auf der Flucht vor ihren Peinigern war. Caillean versenkte gerade ihre Schnauze wieder in den Bauch des Hirsches, als sie Sternis Worte vernahm. Sie hob langdem den Kopf und blickte Sterni aus gelben Augen an. „Ich gehe nachsehen.“ Sterni blickte sie an. „Nimm Futter mit.“ Caillean riss Fleisch aus der erlegten Beute und wandte sich ab. Ihre Pfoten gaben schmatzende Geräusche von sich, während sie über die Lichtung trottete. Blut troff von dem Stück Fleisch. Caillean schnürte direkt auf eine Lücke zwischen zwei Bäumen hindurch und verschwand von der Lichtung. Sterni blickte ihr nach. „Viel Erfolg meine Schwester, kehre bald zu mir zurück.“ Dann widmete sie sich der Beute wieder. Caillean durchbrach Gestrüpp und überwindete kleine Hindernisse. Dann sah sie die Wölfin auf dem Boden liegen. Caillean ließ da Fleisch vor der Schnauze nieder und witterte. Verrat, Hass, Vertrauensbruch. „Friss.“


    Aljas erwachte, als sie Fleisch witterte. Sie öffnete die Augen und begann gierig das Stück zu fressen. Nach und nach besann sie sich. Sie war geflohen und hier zusammen gebrochen. Sie hob den Kopf und leckte sich die Lefzen. „Danke.“ Sie blickte der schwarzen Wölfin direkt in die Augen und schreckte zurück. „Wer… wer bist du?“ Yanthra erinnerte sich an die Madjaren und diese Wölfin sah genauso aus. Böse Erinnerungen wurden in ihr wach. „Caillean. Ich lebe in diesem Wald. Und du?“ „Ich … meine Mutter nannte mich Yanthra.“ Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie erwartete jeden Moment die Fänge der Wölfin in ihrer Kehle zu spüren, doch nichts dergleichen geschah. „Wo bin…“ „Meine Freundin ist die Hüterin dieses Waldes. Er nennt sich Blutwald.“ Yanthra nickte. „Danke nochmal.“ „Komm.“ Caillean wandte sich ab und verschmolz mit dem Schatten, so sah es jedenfalls aus. Yanthra erhob sich. Das eine Wort klang wie ein Befehl und sie konnte sich dem nicht verweigern. Und so folgte sie der Wölfin. Die schwarze Wölfin, namens Caillean brachte Yanthra in eine Höhle. Yanthra witterte einen anderen Geruch und schloss daraus, dass hier auch die andere Wölfin, die Freundin von Caillean wohnte. „Ruh dich aus, ich bring dir etwas zu fressen.“ Damit verschwand Caillean in der Dunkelheit des Waldes und Yanthra ließ sich nieder und schloss die Augen. Sie schlief schnell ein.

    So ging es einige Tage. Yanthra schlief, Caillean brachte ihr zu fressen. So lange bis Yanthra wieder zu Kräften kam und auch das Fell wieder gepflegter aussah. „Yanthra ist ein schöner Name, aber er wird dir nicht mehr gerecht. Deine Familie hat dich verstoßen, dein Gefährte hat gelogen.“ Yanthra und Caillean saßen wie die letzten Tage auch vor der Höhle und Yanthra hatte ihr ihre Geschichte erzählt. Caillean war eine gute Zuhörerin gewesen. Von der anderen Wölfin hatte Yanthra nichts gesehen. Sie dachte ab und an ein weißes Flimmern in der Dunkelheit des Waldes zu sehen, doch sie konnte sich auch täuschen. Sie zuckte kurz mit dem Ohr und blickte zu Caillean. „Lege den Namen Yanthra ab und finde zu neuem Lebensmut unter dem Namen Aljanas.“ Yanthra sog die Luft tief ein. Ein neuer Name? Sie fühlte sich irgendwie, wie in einem Ritual und es wurde sogar zu einem, als Caillean Yanthra bedeutete, ihr zu folgen. Yanthra fand es faszinierend, dass es in diesem Wald weder Tag, noch Nacht gab. Sie wusste nicht, wie lange sie hier war. Diese Gedanken verfolgten sie, während sie Caillean zu einem See folgte. Es verschlug ihr den Atem, als sie eine große weiße Wölfin in diesem See sah. Caillean blieb stehen. „Sterni, Priesterin und Hüterin dieses Waldes. Segne den Namen der Wölfin neben mir. Sie soll fortan unter dem Namen Aljanas bekannt sein.“ Die weiße Wölfin blickte Yanthra an. Zwei Augen wie vom Himmel gefallene Sterne. Yanthra grübelte, was für eine Wölfin das war. Wie magisch angezogen, trat sie auf die Wölfin zu, in den See. Das Wasser umspielte ihre schlanken Läufe, als sie ins Wasser tauchte.


    Die Namensgebung war nun 2 Tage her und Caillean hatte Yanthra aus dem Wald geführt. Zusammen hatten sie eine weitere Reise angetreten. Caillean wurde zu Yanthras Lehrerin und brachte ihr bei, wie sie sich, obwohl ihrer Größe, in einem Kampf behaupten konnte. Yanthra … Nein Aljas, wie sie sich selbst nannte, hörte aufmerksam zu. Sie befolgte jeden Ratschlag und jeden Hinweis von Caillean. Die schwarze Wölfin hatte ein dunkles Geheimnis und sie schonte Aljas nicht. Oft musste Aljas ihre Wunden lecken. Verstauchte Läufe waren keine Seltenheit. Doch Aljas Körper wurde gestählt, ihre Ausdauer trainiert. Und das war auch schon ein voller Erfolg für Caillean. Für Aljas kam die kurze Reise vor, als wären es Jahre, doch die beiden waren gerade mal 4 Monate zusammen. Rechnete man die 2 Monate in dem Blutwald nicht mit. „Morgen wirst du wieder alleine sein. Wandere gen Osten, dort bildet sich gerade ein Rudel. Dort findest du ein Zuhause.“ Aljas blickte Caillean an. „Du verlässt mich?“ Caillean hatte in all der Zeit nicht einmal gelächelt, doch heute blickte Cai ihre Schülerin fast zärtlich an. Ihre Lefzen verzogen sich zu einem sanften Lächeln. „Du hast alles gelernt, was ich dir beibringen kann, nun musst du deine sozialen Kontakte wieder aufbauen. Verzweifel nicht, kleine Wölfin.“ Mit diesen Worten senkte sich Stille über das ungleiche Paar und der Schlaf hüllte beide ein. Als Yanthra morgens aufwachte, war sie alleine.


    Caillean blickte auf die schlafende kleine Wölfin. Sie war ihr ans Herz gewachsen, auch wenn sie außer Sterni niemanden an sich heran ließ. Es fiel ihr schwer, doch sollte sie sich den Nebelwölfen noch einmal nähern, würde sie wieder kämpfen müssen und ihre Vergangenheit plagte sie lang genug. Caillean hatte bei Sterni im Blutwald ein Zuhause gefunden und eine Zuflucht aus ihrer Vergangenheit. Nun musste sie wieder zurück, doch diese Wölfin hier würde noch eine Zukunft haben. Leise erhob sich Cai und verließ die warme Seite von Aljas. Sie wandte sich gen Westen und begab sich in Bewegung. Zurück zu Sterni, zurück dorthin, wo das Blut ihr Reiz war und sie ihren Frieden gefunden hatte.


    Aljas war also wieder alleine und begab sich in die Richtung, die Cai ihr gewiesen hatte. Es war ein komisches Gefühl, wieder alleine zu sein. In Cai hatte sie eine Freundin und Vertraute gefunden, die sie nicht hinterrücks belogen hatte und sie war froh. Sie hatte neuen Lebensmut gefunden und mit dem neuen Namen hatte sie ihre Vergangenheit zurück gelassen. Das Tal der Wölfe war näher, als sie dachte. Nach nur einer Woche witterte sie die anderen Wölfe und wurde unsicher. Was sollte sie tun? Sie blieb stehen, unsicher, ängstlich. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden. Tagelang blieb sie am Rande des Reviers, traute sich nicht hinein. Erst fast 2 Wochen später wagte sie sich vor. Ihr Heulen drang sanft und volltönend ins Revier, dann wartete sie. Die Antwort ließ nicht auf sich warten und Aljas folgte der kräftigen Tenoren Stimme des Rüden. Sie durchschritt einen Wald, dessen Blätterdach viel Licht durchließ, nicht so, wie im Blutwald. Das saftige Grün des Frühlings kündigte sich an und ein sanfter Frühlingswind bewegte die Blumen und Blätter. Aljas atmete tief ein und es kam ihr vor, als würde dieses beklemmende Gefühl des Blutwaldes endlich von ihr ablassen. Sie hob den Kopf und wirkte edler, die Rute hing entspannt herab, als sie aus dem Wald trat und auf ein tiefer gelegenes Tal blickte. Vom Wald her ging es sanft bergab und endete an einem See mit anliegendem Flachland. Einige Wölfe waren dort versammelt und blickten zu ihr hinüber. Aljas nahm ihren ganzen Mut zusammen und näherte sich den Wölfen. Witternd und vorsichtig. Eine weiße Wölfin erhob sich, an ihrer Seite stand ein schwarzer Wolf. Sie waren scheinbar das Alphateam.


    6 Monate ist es nun her, dass Aljas sich den Nebelwölfen angeschlossen hatte und eine Stellung behauptet hatte. Sie führte die Späher an. Aljas war das erste Mal zufrieden und glücklich und sie ließ es sich gut gehen. Die Jagden waren erfolgreich und niemand musste Hunger leiden. In all den Monaten merkte man, dass sich etwas zwischen dem Rüden Roone und Aljas entwickelte. Und jetzt 6 Monate später lag sie Seite an Seite mit ihrem neuen Gefährten. ‚So fühlt sich also Glück an.‘ Sie drehte sich um und leckte Roone sanft über die Schnauze. „Guten Morgen.“ Roone öffnete müde ein Auge und gähnte herzhaft. „Guten Morgen.“ Aljas kuschelte sich eng an Roone und begann ihm sanft im Nacken zu knabbern, doch diese ungestörte Zweisamkeit sollte nicht lange anhalten. Ein Heulen durchbrach die Sommerstille und sofort richtete sich Aljas Nackenfell auf. „Was ist meine kleine?“ Roone beobachtete Aljas. ‚Diese Stimme, dieses Heulen.‘ Aljas Gedanken wurden weggeschwemmt in ihre Kindheit. Sie war wieder auf dem weiten Schneefeld, stand wieder den großen Madjaren gegenüber und ihr Vater rettete ihr Leben. Sie spürte, wie ihr Herz kurz vor dem Zerreißen war, wie ihre Pfoten schmerzten und rissen und ihre Augen weiteten sich angstvoll. Erst Roones Zärtlichkeit ließ sie zurückkehren. „Sie haben mich gefunden.“ Flüsterte Aljas. „Wer?“ Roone blickte sie an, doch die Bewegung am Horizont lenkte ihn ab. Ein Rudel großer Wölfe, Timberwölfe, Grauwölfe tauchten am Horizont auf und blickten auf das kleine Wolfsrudel hinab. Sofort war das Rudel alarmiert. Alle waren auf den Beinen und Roone blieb an Aljas‘ Seite. Die Alphas, Geschwister, stellten sich vor das Rudel. Roone gab ihr Kraft und den Mut gegen ihre Vergangenheit anzutreten. „Ich bleibe an deiner Seite. Was auch immer geschieht, ich möchte, dass du fliehst, wenn der Kampf schlecht ausgeht. Versprich mir das Aljas.“ Roone blickte sie an und Aljas nickte. „Du musst leben, für uns, für die Nebelwölfe und für mich.“ Er leckte Aljas zärtlich über die Schnauze, dann trat er an die Seite des Alphas. Aljas atmete tief durch und stellte sich neben die Alpha. Sie spannte sich an. Sie musste auf die Gegner wie ein Jungwolf wirken, mit ihrer Größe, doch Aljas blieb tapfer. Das Geheul ließ sie erschauern und dann setzte sich die gegnerische Linie in Bewegung. Wie eine schwarzgraue Welle liefen sie den Abhang hinab und nur kurze Zeit später trafen die ersten Wölfe auf die Nebelwölfe. Ein grausamer Kampf wurde entfacht und die Nebelwölfe behielten die Überhand, wenigstens für die ersten Minuten. Doch der Ansturm war zu groß. Als die Alphas fielen, flohen die Nebelwölfe. Im Süden des Tals befand sich ein Fluß, der über einen Wasserfall das Tal verließ, dort wurden sie in die Enge getrieben. Aljas sah nur einen Ausweg. „SPRINGT!“ schrie sie und die Wölfe gehorchten. Es war alles besser, als qualvoll zu sterben. Roone wollte bleiben, doch Aljas riss ihn mit hinunter. Als letztes sah sie das grausame Grinsen des Wolfes, der ihren Vater getötet hatte, dann wurde ihr schwarz vor Augen.


    ‚Wer bin ich? ‘ Gedanken blitzten durch ihr Gedächtnis, sie fühlte sich wie erschlagen. Eine schwarze Wölfin an ihrer Seite. „Dein Name ist Aljas und du musst leben.“ Aljas öffnete die Augen, doch niemand war da. Aljas. Der Name schwamm in einem Meer aus wirren Gedanken in ihrem Kopf. Ja, das war ihr Name. Aljas. Sie rollte sich auf den Bauch und versuchte sich zu orientieren, doch etwas stimmte nicht. Die gesamte linke Seite war schwarz. Was war da los. Sie hatte auch kein Gefühl in der linken Gesichtshälfte. Sie erhob sich, um gleich darauf wieder umzukippen. Es ging nicht, sie würde hier sterben. Jetzt endlich. Doch irgendetwas regte sich in ihr. Ihr Geist begann zu kämpfen, schrie auf. ‚NEIN! Ich werde noch nicht sterben.‘ Sie schleppte sich ans Ufer und begann zu trinken, das kühle Nass floss ihre Kehle hinab, belebte ihre Sinne und ihren Geist. Sie tauchte ihren Kopf ins Wasser und als sie hin heraus hob, merkte sie, wie etwas in ihrer linken Seite reagierte. So blieb sie einige Zeit liegen, ehe sie die Kraft hatte, aufzustehen. Sie war alleine. Wo war der Rest? Waren sie gestorben? War Roone tot? Ihr Geist begann zu leben. ‚Steh auf. Du musst fressen. Du bist nicht alleine.‘ Aljas kämpfte sich auf ihre Läufe, ihr tat alles weh, doch es war nichts gebrochen. Sie verließ das Ufer und folgte der Witterung eines Tieres. Als sie es fand, wusste sie, dass sie zu spät kam, doch sie begann die Knochen abzunagen, knackte diese und saugte das Mark heraus. Es war wenig, aber es war immerhin etwas. Sie kam langsam zu Kräften auch wenn sie vorerst nur Aasfresser war, doch sie hatte keine Wahl. Um zu überleben, musste sie Aas fressen, bis sie wieder bei Kräften war. Sie fand in all der Zeit aber niemanden von den Nebelwölfen wieder. In einer dunklen Nacht brachte sie 4 tote Welpen zur Welt. Sie ließ die toten Körper in einer Höhle zurück. Aljas dachte nicht mehr an die Welpen, ihr Weg führte sie weg, weit weg von dem Fluss. Sie wurde verschlossen und verbittert.


    Unbewusst hatten ihre Pfoten sie in kälteres Gebiet geführt. Sie stockte, als sie den Schnee unter ihren Pfoten spürte. In einem See auf der Wanderung hatte sie gemerkt, dass sie sich wohl bei dem Sturz im Wasserfall , die linke Gesichtshälfte verletzt hatte, jedenfalls war sie auf der linken Seite nun blind und eine lange Narbe zierte ihr Gesicht und unterstrich ihre Bitterkeit. Auf dem Weg in ihre Heimat hatte sie auch ihre Erinnerungen wieder erlangt. Sie sog die kalte Luft ein, sie fraß sich durch ihre Lungen und ließ sie kurz in der Atmung stocken. Aljas verlängerte ihre Schritte, denn sie spürte, dass sie in der Heimat war. Doch je näher sie ihrer Heimat kam, desto langsamer wurde sie. Existierte ihr Rudel überhaupt noch? Das Ganze war nun fast 3 Jahre her. Hatten die Madjaren ihr Rudel zerstört, ausgerottet? Oder war Erina der Grund dafür? Aljas blieb stehen. Doch dann gab sie sich einen Ruck und hob den Kopf. Ihre sanfte Stimme schwebte über die Ebene und verhallte. Eine leise Antwort kam und Aljas spürte ihr Herz höher schlagen. Aljas lief los, in Richtung der Stimme und blieb erst am Rande eines Kraters stehen. In diesem Krater hatte sich eine Gruppe von Wölfen niedergelassen. Aljas suchte die Gruppe ab und etwas jubelte auf. Sie erkannte Schenna, ihre Mutter, doch auch Erina war da und diese war nicht gut gelaunt. Mit aufgestelltem Nackenfell und gezogenen Lefzen kam sie auf die kleine Wölfin zu. „Wer bist du?“ Ihre Stimme klang kratzig und tat Aljas in den Ohren weh. Kühl beobachtete Aljas die Wölfin. „Ich wurde in diesem Rudel geboren.“ Erina zog die Lefzen noch etwas höher. Die Wölfe waren aufgestanden unten und Schenna trat hervor. Ihre Augen weiteten sich, als sie Aljas erkannte. In diesem Moment griff Erina an, doch Aljas erinnerte sich an die Lehren von Caillean. Sie reagierte schnell und duckte sich weg, so dass Erina ins Leere biss. Das Hallen der aufeinander schlagenden Zähne durchschnitt die Kälte. Erina war so verblüfft, dass sie die Reaktion von Aljas nicht mitbekam. Aljas sprang los, auch wenn sie links blind war, so hatte sie den Vorteil, dass Aljas so gesprungen war, dass sie Erina im rechten Blickfeld hatte, so konnte sie eine sofortige Gegenaktion starten. Sie warf sich mit voller Wucht auf Erina, die so überrascht war, dass sie strauchelte und beide Wölfinnen den Abhang hinunter rollten. Doch Aljas war schneller auf den Beinen als Erina, denn noch war Aljas jünger. Um Erina keine Chance zur Reaktion zu geben, warf sich Aljas erneut auf sie und verbiss sich in ihrem Nackenfell. Erina jaulte auf, denn wegen der Zeit war ihr Fell dünner geworden. Das Rudel verfolgte stumm den Kampf. Erina erhob sich, denn trotz allem war Aljas immer noch ein Fliegengewicht. Erina war fast 10 cm größer, denn sie war kein Polarwolf. Das Blut troff aus dem Fell und färbte den Schnee rot. Aljas erhob sich und blieb stehen. „Geh, Erina. Ich verschone dein Leben, aber lass dich hier nie wieder blicken. Du hast meinen Vater getötet, meine Mutter gedemütigt und meine Geschwister vernichtet.“ Ihre Stimme war eisig und leise, aber bestimmt. Erinas Augen blitzten auf und sie wandte sich um. Aljas blieb stehen. „Yanthra, pass auf.“ Der Ruf erschallte aus dem Rudel und Aljas drehte sich herum. Erina setzte zu einem letzten Sprung an, doch Schenna ging dazwischen. „Geh Erina. Das Rudel verstößt dich.“ Erina konnte den Angriff nicht abbrechen und erwischte Schenna an der Schulter, doch diese ließ sich nicht beirren und Erina sah ein, dass sie verloren hatte. „Seid auf der Hut, denn ich komme wieder und dann werdet ihr vernichtet. Das Nordlandrudel wird aussterben.“


    „Du hast uns von Erina befreit und willst dennoch nicht bleiben? Du bist die neue Alpha.“ Aljas schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin keine Alpha, Schenna. Sag mir, was ist aus Riska geworden?“ Schenna seufzte. „Sie starb 4 Tage, nachdem ihr los gegangen wart. Aber was ist aus unserem Alpha geworden, was ist aus Arianos geworden?“ Aljas drehte den Kopf. „Das wisst ihr nicht?“ „Nein, was ist mit ihm?“ Aljas seufzte und die Vergangenheit erhob sich aus dem Gedankenmeer. Sie berichtete Schenna, was passiert war. Am Ende der Erinnerung schwiegen beide. „Er hat euch geliebt, auch wenn er auf Erinas Intrige reinfiel.“ „Ja. Ihr solltet ein neues Alphapärchen wählen. Ein junges, welches strebsam ist und dann muss das Nordlandrudel den Krater verlassen. Die Madjaren werden zurückkommen.“ „Komm, ich stell dich potenziellen Anwärtern vor.“ Schenna erhob sich, streckte sich und trottete zu Rudell. Aljas folgte ihr. ‚War es wirklich schon 3 Jahre her? Oder erst? Es kommt mir vor, wie 6.‘ Aljas blieb neben Schenna stehen. Es gab insgesamt 2 Pärchen, die das Potenzial hatten und Aljas ließ das Rudel entscheiden. Schlussendlich wurden zwei Polarwölfe aus dem Rudel gewählt. Sie hießen Irka und Dex. Sie waren jung, aber ehrgeizig. Kiska und Rouven wurden Betapärchen.


    Nach der Wahl führte Aljas das Rudel als letzte Aktion aus dem Krater. „Bleib bei uns.“ Aljas schüttelte den Kopf. Sie war fast 3 Jahre im Rudel geblieben, hatte Irka und Dex geholfen in die Rolle der Alphas reinzuwachsen. Sie hatte Schenna in den Tod geleitet und ihr den Sternenweg vom Himmel geheult. 8 Jahre waren vergangen, seit Aljas geboren wurde und hier oben hatte sie nun endlich Frieden geschlossen mit ihrer Familie. Doch es zog sie wieder zurück in den Süden. Irka saß neben ihr. Sie hatte die alte Wölfin ins Herz geschlossen und hätte sie gerne da behalten. „Ich bleibe bis die Welpen da sind, vielleicht erlebe ich ihre Aufzucht noch etwas und dann gehe ich.“ Irka nickte. „Bald ist es soweit.“ Sie erhob sich schwerfällig. Das Nordlandrudel war in den letzten 3 Jahren gewachsen. Von den anfänglichen 15 Wölfen waren inzwischen fast 25 geworden. Jedes Jahr gab es Nachwuchs und auch Streuner waren hinzugestoßen. Die Madjaren waren an dem versteckten Tal entlang gezogen, hatten es aber nicht entdeckt. Hier waren sie sicher. Irka war zu einer hübschen Alpha heran gewachsen, Dex zu einem stattlichen Rudel. „Tante Aljaaaas.“ 4 junge Wölfe liefen auf Aljas zu. „Erzählst du uns eine Geschichte?“ Aljas war in den letzten Jahren zur Geschichtenerzählerin mutier. Sie lächelte müde. „Nun gut. Welche wollt ihr hören?“ „Die von deinem Kampf mit dem bösen Geist.“ Aljas lachte leise. „Das war kein Geist, aber ok.“ Aljas begann und mit der Zeit gesellten sich andere Wölfe hinzu. Kurz vor dem Ende allerdings kam Dex angerannt. „Aljas, Irka braucht dich. Bitte komm schnell in die Höhle.“ Aljas zögerte nicht und sprang auf. Irka lag in der Höhle, sie keuchte und atmete schwer. „Irka. Es ist zu früh.“ Sie blickte Aljas mit glänzenden Augen an. „Ich weiß“ keuchte sie. „Hilf mir.“


    Aljas stand am Rande des Tals. Nun war es also doch noch ein weiteres Jahr geworden. Im letzten Jahr hatte Irka nur einen gesunden Welpen zur Welt gebracht, Kiska hatte 4 Totgeburten gehabt. Doch in diesem Jahr belebten 8 Welpen das Rudel und Aljas nickte zufrieden. Ihre Aufgaben waren verteilt und sie verließ das Rudel in aller Heimlichkeit. Ihr Weg führte sie zurück in den Süden. Sie hatte sich zwar wohl gefühlt bei dem Rudel, aber es war zu viel geworden. Die Kälte und die Bitterkeit hatten sich nicht vertreiben lassen. Das Glück der Paare schnitt ihr tief ins Herz und sie dachte oft an Roone, er war verschollen, vielleicht auch tot. So begann hier nun ein neuer Weg für sie, ein Weg in die ungewisse Zukunft. In dem einen Jahr, in dem sie nach Süden wanderte, versuchte sie oft das Vertrauen zurück zu bekommen, doch es klappte nicht und so blieb sie auf dieser Wanderung alleine. Reisegefährten vertrieb sie. Sie wollte alleine sein, doch dann dachte sie an Cai’s Worte. „Geh nun und pflege deine sozialen Kontakte. Du bist keine Wanderin, lass dich nieder, finde ein Rudel und bleibe dort.“

    Siehst du die Wölfin? Sie lebte, litt, starb, wurde wieder geboren und dennoch kannst du sie nicht brechen! Das ist das Leben und die Hoffnung, die tief vergraben ist, kannst du sie erlösen?

    Allgemeines

    Name:Sie wurde bei ihrer Geburt Yanthra genannt, doch ihre Lebensretterin nannte sie neu Aljanas, kurz Aljas. Um ihr einen Neuanfang zu gebenBedeutung:Beide Namen haben keinerlei Bedeutungen, jedenfalls keine bekannten, nur persönliche BedeutungenSpitzname:AljasAlter:Aljas hat bisher 10 Winter überstandenGeburtsdatum:6. Februar 10 v. Rs.Geschlecht:Aljas ist eindeutig eine Fähe, verbittert, aber eine Fähe

    Aussehen

    Augenfarbe:Eisgrau, fast weiß
    Fellfarbe:
    Neuschnee, welcher von der Zeit geprägt ist
    Aljas Fell war, jedenfalls als sie noch jung war, so schneeweißsilbern, wie der erste frische Neuschnee im Schein des Mondlichtes. So bekam sie als Jungwolf oftmals den Namen Mondschnee, das allerdings nur im Geheimen und ohne Kenntnis von ihr selbst. Passend dazu hat sie eisgraue Augen, die sich fabelhaft ins Bild einprägen und ebenso fast weiß wirken. Das Fell ist dick und plüschig und besonders in den ersten Jahren war es glatt und seidig und zeigte stets, dass die Wölfin um ihr Aussehen besorgt war. Inzwischen ist das Fell allerdings an vielen Stellen gelblich, besonders an den schlanken Läufen und dem Rücken. An der Schnauze zeigen sich die ersten grauen Haare, die definitiv vom Alter zeugen. Auch die Beschaffenheit des Fells ist nicht mehr glatt und seidig, sondern stumpf und an manchen Stellen leicht verfilzt
    Körperstatur:Aljanas ist eine kleine schlanke Wölfin. Sie misst gerade mal 60 cm und wiegt dazu ca 45 kg. Allerdings ist Aljanas nicht zu unterschätzen. Die lange Lebenserfahrung, die sie hat, prägt ihr gesamtes Aussehen. Schlank und drahtig oder sehnig, dennoch ist sie stark und schnell. Man sieht ihr beim ersten Blick an, dass sie viel und lange gewandert ist und das hinterlässt seine Spuren. Den größten Kampf, den sie kämpfte, war die Hitze in den niedrigeren Gefilden als ihre Heimat. Doch auch andere Kämpfe haben ihren schlanken Körper gestählt und ihre Beweglichkeit trainiert.
    Größe:60 cm
    Gewicht:45 kg
    Besonderes:Aljas hat eine lange Narbe, die sich vom rechten Ohr übers linke Auge bis zum linken Lefzenwinkel zieht.

    Charakter

    Charakterbeschreibung:
    Die Unschuld ist der Beginn
    Aljas, geborene Yanthra, war stets eine ruhige Wölfin, die sich viel Gedanken machte und viel fragte. Sie war lernfähig und sehr wissbegierig. In ihrem Geburtsrudel begegnete man ihr oft wegen ihrer Art oft mit Neid und Eifersucht. Aljas waren diese negativen Eigenschaften fremd, sie war hilfsbereit und stets selbstlos. Sie war glücklich, wenn andere glücklich waren. Trotz ihrem Wissensdurst, war sie eine fröhliche Wölfin, sie spielte gerne mit ihren Geschwistern, obwohl sie stets die schwächste und kleinste der Gruppe war. Doch sie war mindestens genauso frech wie ihre Geschwister und brachte trotz allem Neid und aller Eifersucht immer Leben in das Rudel.

    Alles Schöne hat ein Ende
    Den ersten Riss ihres Charakters bekam sie, als sie viel zu früh von ihrem Rudel weg musste. Ihre fröhliche Art wandelte sich in Vorsicht, Skepsis und vor allem Argwohn und Angst um. Die einst so fröhliche Wölfin verlor mit einem Schlag alles, was ihr lieb war und musste statt dem beschützten Leben im Rudel, der Einsamkeit frönen. Der erste Stein der Bitterkeit war gelegt, doch sie war stets hoffnungsvoll. Es war nicht ihre Art, die Hoffnung aufzugeben und sich in eine hoffnungslose Situation katapultieren zu lassen.

    Wo Licht ist, ist auch Schatten
    Dieser Erkenntnis musste Aljas zweifelsohne zustimmen. Das Leben war nicht immer das was war vorgab zu sein. Bitterkeit, Angst, Skepsis, Wut… all das vermischte sich mit der fröhlichen unschuldigen Wölfin. Kam sie früher noch nachdenklich rüber, war dies nun eine einzige Abschottung und wahrhaftig abweisend. Die hoffnungsvolle war verschwunden, liebevoll und hilfsbereit? Nein, das war sie nicht mehr. Das Leben und die Erfahrungen haben sie in den Abgrund gerissen und dort fühlt sie sich wohl.

    Körperliche Stärken:
    Lautloses Schleichen Aljas ist die geborene Späherin gewesen, sie konnte so unbemerkt durchs Gestrüpp wandern, als sei sie der Wind. Auf ihrer langen Flucht musste sie oft lautlos wie ein Schatten sein, um nicht entdeckt zu werden.
    Schnelligkeit Auch dies lernte sie auf der Flucht, denn wer auf der Flucht zu langsam ist, den erwischen die Feinde, ihre Beweglichkeit konnte sie ebenso trainieren
    Beweglichkeit Durch ihre schmale Statur und die Größe ist sie durchaus im Vorteil, sich in Gebieten besser zu bewegen und hindurch zu schlüpfen als große massive WölfeKörperliche

    Schwächen:
    Halb Blind Durch die Narbe über ihrem Auge ist sie auf der linken Seite blind und hat somit ein eingeschränktes Blickfeld. Alles was links von ihr geschieht, bekommt sie nicht mit
    Kampf Dadurch, dass sie klein und schlank ist, ist sie keine Kämpferin, sie geht Kämpfen lieber aus dem Weg
    Blutrausch Aljanas war früher nie eine Wölfin, die das Töten liebte oder einem Blutrausch verfallen wäre, doch jede Zeit und jede Erfahrung kann aus einem liebevollen Wolf ein Mordsüchtiges Biest machen

    Charakterliche Stärken:
    • Loyalität • Selbstlos • Zielstrebig • gute Zuhörerin • Schauspielerei

    Charakterliche Schwächen:
    • Eiskalt und abweisend (Selbstlos und Loyal wird sie erst, wenn sie länger bei Wölfen verharrt und die es wert sind) • Respektlos (Sie ist eine alte Wölfin, die viel mitgemacht hat und deswegen sieht sie es nicht ein gegenüber anderen respektvoll zu sein. Die müssen sich den Respekt verdienen) • Reizbar • Aggressiv • Zielstrebig (Ist sowohl Schwäche als auch Stärke, denn auf dem Weg zu ihrem Ziel geht sie über Leichen)

    Vorlieben:• Die Einsamkeit • Blut • In ihren Gedanken versinken • Provozieren • Ehrgeiz

    Abneigungen:• Die Einsamkeit • Götter • feste Bindungen • Feiglinge • Versprechungen

    Ängste:• Blind zu werden • Eigene Schwäche (durch ihre Blindheit besonders)

    Familie

    Mutter:
    Riska Sie war einst die Alpha ihres Geburtsrudels, eine sanfte, liebevolle, verständnisvolle Fähe. Ihr schneeweißes Fell war der einer Alpha würdig. Doch leider wurde Riska in einem Zweikampf besiegt, als ein Neuzugang sie herausforderte. Als Rabenwolf litt sie einige Tage, ehe sie verstarb.
    Schenna Sie ist Aljas Pflegemutter und Mentorin. Dank ihr hat Aljas das Massaker von Erina, der neuen Alpha überlebt.

    Vater:
    Arianos Er war der Alpha und Riskas Gefährte, doch eine Neue verführte ihn und er verließ Riska für sie. Nichtsahnend, dass die Neue auch ihn umbringen wollte, nachdem sie von ihm trächtig werden würde, doch es kam anders, denn Arianos starb, als er seine „Familie“ vor einem gegnerischen Rudel verteidigte.

    Geschwister:
    Keno (†), Ria (†), Domo(†) und Jina (†) wurden alle von der neuen Alphe getötet, denn sie hatte Angst, dass die Welpen eines Tages ihr Erbe als Alpha einnehmen wollten, so starben die Welpen im Alter von 3 Monaten. Aljas entkam dem Anschlag, denn sie verweilte die meiste Zeit bei ihrer Mentorin

    Gefährte/in:
    Lunar (†) Alpha des ehem. Rudels „Wölfe des Lichts“. Er nutzte sie aus und betrog sie mit einer anderen Wölfin. Einer Streunerin.
    Roone (verschollen) Bei der Flucht vor einem gegnerischen Rudel, das Aljas bereits kannte, verlor sie Roone. Sie fand weder ihn noch ihr Rudel wieder und musste annehmen, dass sie allesamt gestorben waren.

    Nachwuchs:Keine Lebenden

    Weitere wichtige Charaktere:
    Caillean Sie war 6 Monate lang ihre Mentorin und Kampflehrerin. Aljas würde niemals eine gute Kämpferin werden, doch sie wusste nun, wie sie sich verteidigen konnte und wie sie, anhand ihrer Größe einen Kampf auch für sich entscheiden konnte.

    Teil 6




    Ich setze erneut ab. >Lasst mich kurz ausruhen. Es strengt an, die Erinnerungen übermannen mich.< Die Leute seufzen leise auf, erheben sich aber dann und gönnen mir kurz Pause. Ich schließe die Augen. Ich sehe die Augen des Grafen vor mir, wie sie mich anblicken, mich verzaubern. Ich spüre seine Lippen auf den meinen. Erneut läuft es mir heiß durch den Körper. Ich blicke auf meine Hände. Die Runzeln und Falten, die Altersflecken, all das ist geschminkt. Wenn sie wüssten, dass ich noch immer jung aussehe und das noch länger bleibe, sie würden mich meiden. Doch das Glück teile ich mit meinem Grafen und das lässt mich ausharren. Schon bald wird Ariana erneut sterben und dann muss eine meiner anderen Identitäten wieder herhalten. Der Wirt stellt mir einen Becher Wasser hin. >Deine Geschichten sind immer sehr schön anzuhören. Sie verzaubern einen. Danke.< Er geht weg und ich trinke gierig das Wasser. Mein ausgetrockneter rauer Hals freut sich über das kühle Nass. Ich strecke mich und bedeute kurz an, dass ich weiter erzähle. Sofort füllt sich der leere Raum vor meinem Stuhl.




    Kalisstra stand am Rand des Kampfplatzes und beobachtete den Start ihres Bruders Hétral. Auf der Ehrenloge saßen der Graf, Faye, Selina, ihr Ehemann und die kleine Finja. Aktan stand ebenfalls am Rand, etwas weiter weg von ihr. Hétral war wirklich gut geworden. Er würde bald ein Meisterschütze werden.

    Teil 5




    >Aber Ariana, du hast doch einen Namen. Bist du denn die Schwester von dem Mädchen?< Ein kleines Mädchen blickt mich an. >Nein, ich bin die Suchende gewesen. Ariana habe ich mich genannt, in Erinnerung an meine große Schwester. Sie gab mir als erste eine Bestimmung. Durch sie wurde ich die ‚kleine Schwester‘. Aber nun höret weiter zu.< Ich trinke einen Schluck und erbitte mir ein Glas Wasser. Meine Augen schmerzen, doch meine Geschichte muss erzählt werden.




    Meine Reise begann im Sommer des Jahres. Die Felder wurden bestellt, manche schon geerntet. Die Wege waren staubig, so dass das Mädchen sich ein Tuch vor Nase und Mund zog, um den Staub nicht einzuatmen. Auch ihrem Pferd band sie ein nasses Tuch vor die Nüstern. Meistens ritt sie neben dem Wege, auf dem weichen Gras, selten auf dem steinigen Weg. Sie schonte ihr Pferd, ritt langsam und beobachtete die Umgebung. Sie mied Städte und Dörfer. Sie war nun bereits seit 2 Wochen unterwegs und war ein gutes Stück voran gekommen. Sie hatte vor sich gen Süden zu wenden, wollte mit einem Schiff ein gutes Stück voran kommen und folgte dem Weg nun zur Küste. Sie verschwendete wenig Gedanken an den Grafen oder an Faye. Sie dachte nur regelmäßig an Selina, wie es ihr erging und ob sie inzwischen geheiratet hatte. Das Mädchen wusste, einen Namen zu bekommen, würde lange dauern, doch sie war fest entschlossen.




    Ich setze ab und blicke in die Runde. >Zu erzählen, was ich die Wochen gemacht habe, würde den Rahmen sprengen, deswegen verallgemeiner ich viel. Also seht es mir bitte nach.<




    Die Wochen gingen ins Land. Das Mädchen erlebte nicht viel, ab und an ein paar Schaukämpfe, um Geld zu verdienen, ab und an einen Kampf, um die Ehre manch eines Menschen wieder herzustellen. Das Mädchen lernte viel, doch einen Name erhielt sie nie. Sie wurde stets die Tapfere, die Mutige oder die Heldin genannt, doch stets wurde der Name verschwiegen. Das Mädchen selbst begann sich verschiedene Namen auszudenken, doch keiner der Namen war ihr richtiger. Es waren nur aneinander gereihte Buchstaben, ohne Sinn und Verstand. Das Mädchen wuchs und reifte heran. Sie bekam ihre weibliche Gestalt, das Haar wurde länger und noch röter und doch blieben die Augen stets ernst in dem inzwischen weiblichen Gesicht. Die Farbe jedoch wandelte. Statt dem Jadegrün der Kindheit, mischte nun etwas gelb mit. Doch diese Wandlung bemerkte das Mädchen nicht. Aus Wochen wurden Monate und aus Monaten Jahre. Sie überlebte, sie trainierte und sie suchte, doch sie fand nicht das, was sie brauchte oder was sie wollte. So zogen die Jahre ins Land. Mit 16, fast 4 Jahre nach dem Beginn der Suche, kehrte sie zurück in ihr Heimatland, in ihre Heimatstadt. Das Mädchen blickte sich um. Inzwischen war sie unter vielen Namen bekannt. Derzeit trug sie die unwichtigen Buchstaben „Kalisstra“. Noch immer war der Dunkelfuchs ihr Reittier. Als sie damals los ritt, war er gerade mal 4 Jahre alt, nun war er im besten Alter mit 8 Jahren. Er hatte etwas an Fülle zugelegt, blieb aber immer noch sehnig und filigran und passte zu der inzwischen 16-jährigen Kalisstra. Sie lenkte den Hengst auf die Straße, die zum Haus des Grafen führte. Mit jedem Meter, den sie hinter sich ließ, wurde sie aufgeregter. Wo war Selina, wie ging es Faye, Aktan und Hétral. Inzwischen hatte sie auch verstanden, warum der Graf damals Faye geheiratet hatte. Sie verstand so vieles, was sie damals nicht verstanden hatte und es erleichterte sie. Als sie nur noch wenige Meter vom Anwesen weg war, hörte sie Lärm. Es klang wie eine der Wettbewerbe, die der Graf schon früher gegeben hatte, um Hétral und Aktan die Gelegenheit zu geben, sich zu beweisen. Sie zügelte ihr Pferd und versteckte die Haare unter dem Umhang, setzte die Kapuze auf und schnalzte kurz mit der Zunge. Der Wallach setzte sich in Bewegung und tatsächlich, das Tor zum Anwesen stand weit auf, es war mit vielen Bändern geschmückt und Musik drang vom Innenhof. „Mylady, kann ich ihnen helfen?“ Kalisstra wollte gerade ansetzen und überlegte es sich anders. Sie wollte sich nicht zu erkennen geben, noch nicht. „Sagt an, mein Herr, was ist dies für eine Veranstaltung?“ Der Knecht lächelte und antwortete: „Der Graf hat mehrere Anlässe zu feiern. Den Geburtstag seiner Söhne, Hétral und Aktan, das 3-jährige Hochzeitsjubiläum seiner Tochter Selina und natürlich die Geburt seiner leiblichen Tochter Finja.“ Sie stockte. Eine eigene Tochter mit Faye? „Kann an dem Wettbewerb jeder mitmachen?“ Der Knecht nickte. „Gut, dann werde ich mich anmelden.“ „Es werden Kämpfe zu Pferd, im Bogenschießen, im Dolchkampf und im Schwertkampf ausgetragen.“ Kalisstra nickte. „Ich danke euch.“ Sie ritt durch das Tor und stieg an der Pferdetränke ab. „Stärke dich ein wenig, mein lieber Cascadeur.“ Sie strich ihm über die Nüstern und nahm den Bogen und den Pfeileköcher vom Sattel ab. Dann schritt sie über den Kiesweg am Haus vorbei und blieb am Rande stehen. Hier konnte sie alles überblicken. Der Garten und die Felder hinter dem Haus waren so umgestaltet worden, dass die einzelnen Wettkämpfe ausgetragen werden konnte. Sie schritt auf einen Tisch zu. „Kann man sich hier anmelden?“ Der Knecht dahinter nickte. „Wen darf ich vermerken?“ „Notiert bitte Kalisstra im Bogenkampf und im Dolchkampf.“ Der Knecht notierte alles. Ein kurzer Blick verriet ihr, dass sie im Dolchkampf gegen Aktan antreten würde und im Bogenkampf gegen Hétral.






    Teil 4




    Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Ich erinnere mich an den Tag als sei er gestern gewesen. Ich erinnere mich, wie ich in der Kirche stand und mit Tränen in den Augen den ersten Kuss vom Grafen und Faye gesehen hatte. Es hatte mir das Herz zerrissen. Als sie mir dann noch eröffneten, dass sie mich adoptieren wollten, war ich verstört. Selina konnte selbst entscheiden und sie hatte freudig zugestimmt, nur ich, ich musste mich widerspruchslos in mein Schicksal ergeben. Ich atme tief ein. Ich darf mich nicht übermannen lassen. Ich öffne die Augen und lächle in die Runde. >Erzähl weiter, bitte, Ariana. Erzähl weiter.<




    Das Mädchen machte gute Fortschritte in ihrem Unterricht. Die Lehrer lobten sie in den höchsten Tönen vor dem Grafen und dieser entschied sich nun, einen Namen für das Mädchen auszusuchen. Er ließ sie zu sich rufen. Das Mädchen folgte diesem Ruf und stand nun im Arbeitszimmer des Grafen. Sie hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und stand leicht breitbeinig. Die Breite war an die Schulterbreite angepasst. Ihre Haare waren offen und fielen in leichten Wellen über die Schultern bis hin zum Kreuz. Der Graf saß hinter seinem Schreibtisch und blickte in die Augen von dem Mädchen. „Nun, ‚kleine Schwester‘ du wartest noch immer auf deinen Namen und hast dich noch nicht beschwert.“ Das Mädchen wartete stillschweigend. In ihren Augen brannten der Hass und die Rebellion. Der Graf sah es und lächelte amüsiert. „Wen hasst du so sehr? Ich habe gehört, dass du gute Fortschritte machst. Du scheinst deinen Hass in Energie umzuwandeln. Sehr lobenswert.“ Immer noch schwieg das Mädchen. „Es war schwer deinen Namen herauszufinden und es hat lange gedauert. Doch nun.“ Er wartete und machte eine lange Pause. Das Mädchen blieb weiterhin ruhig. Wenn der Graf sie hatte aus der Reseve locken wollen, es schlug fehl. Sein Lächeln verschwand. Er nickte nur. „So soll es sein. Du wirst noch ein Jahr hier bei uns bleiben und dich dann auf den Weg machen. Dein Name muss entstehen. Ich kann ihn dir nicht geben.“ Das Mädchen rührte sich das erste Mal seit dem Gespräch. Sie verneigte sich, wandte sich um und verließ den Raum. „Störrische ‚kleine Schwester‘.“




    So begann also das letzte Jahr. Als Selina davon hörte, wollte sie mit, doch die ‚kleine Schwester‘ lehnte ab. „Nein, du bist so glücklich hier Selina und ich hörte, dass der Graf demnächst Bälle und Tafeln für dich abhalten möchte. Du sollst endlich mögliche Partner kennen lernen.“ Das Mädchen stand vor dem Schrank und blickte in die Reihen der Kleider. Sie wollte nicht viel mitnehmen. Auch wenn ihre Abreise noch mindestens 8 Monate fern lag. Selina saß auf ihrem Bett und beobachtete die ‚kleine Schwester‘. „Wir sind nun seit fast 1 ½ Jahren hier und ich fühle mich, als wäre dies mein ganzes Leben gewesen. Mir fällt es schwer, mir das ganze ohne dich vorzustellen.“ Das Mädchen drehte sich um. „Du wirst dich daran gewöhnen, Selina. Schon bald wirst du einen Ehemann haben und eigene Kinder.“ Selina lächelte müde. „Ja, vielleicht. Aber du wirst immer meine ‚kleine Schwester‘ sein.“ Das Mädchen nickte.




    Der Ball war prächtig. Selina hatte ein malvenfarbiges Kleid an, welches ihre schwarzen Haare super betonten. Es war lang und elegant geschnitten, allerdings hochgeschlossen. Selina war der Mittelpunkt des Abends, doch dies war auch ihr Abend. Das Mädchen stand am Rande der Tanzfläche. Sie trug eine schwarze Stoffhose, dazu schwarz polierte Stiefel und ein schwarzes Hemd. An den Unterarmen befanden sich Schienen, diesmal aus schwarzem Leder mit dunkelgrauen Verzierungen. Das Haar trug sie hochgesteckt und die grünen Augen musterten das Geschehen. Faye und der Graf tanzten und Selina unterhielt sich mit einigen jungen Männern. Das Mädchen verdrehte die Augen. Auch Aktan und Hétral standen am Rand der Tanzfläche, jeder einen Humpen Bier in der Hand. ‚Wie schnöde. Sie tanzen, betrinken sich und wetteifern wie verliebte Gockel.‘ Das Mädchen wandte sich ab. Sie hatte eine höfliche Stunde auf dem Fest verbracht und lenkte ihre Schritte nun auf den Balkon. Von dort hatte sie einen Blick bis hin zu den Ställen. Noch 6 Monate war dies ihr Zuhause. Sie stützte sich auf das Geländer und blickte nach unten. Es waren vielleicht 6 Schritt bis zum Boden. Sie blickte sich um, dann stieß sie sich mit den Füßen vom Boden ab, schwang die Beine über das Geländer und verschwand im Dunkeln. Auf dem Boden angekommen, ging sie in die Knie und rollte sich ab, damit sie sich nichts brach. Der Kies knirschte unter ihr, doch sie landete sicher. Selbst das rote Haar wurde in der Dunkelheit verschluckt. Sie wollte gerade aufstehen, als sie auf dem Balkon ein Geräusch bemerkte. Sie ging 3 Schritte zurück und drückte sich an die Wand. Sie erkannte die Schritte. Der Graf und Faye. Sie stellten sich dorthin, wo kurz zuvor noch das Mädchen gestanden hatte. „Ist es denn richtig, unser kleines Mädchen in 6 Monaten ziehen zu lassen?“ Das Mädchen unterdrückt ein Schnauben. ‚Unser kleines Mädchen. Damals war ich noch ihre kleine Schwester.‘ Das Mädchen lauschte weiter. „Sie ist eine Rebellin und ich denke, sie ist sehr froh, wenn sie hier wegkann. Die Hochzeit, die Adoption, das war zu viel für sie und nun wird Selina demnächst noch heiraten und weggehen. Es wird sie hier nichts mehr halten.“ Die Stimme des Grafen war sanft wie immer. Faye lehnte sich nach vorne. Das blonde Haar fiel glatt und ebenmäßig über die linke Gesichtshälfte. „Ja, sie hat sich gewandelt. Weißt du, ich wollte mit dir auch über uns reden.“ Das Mädchen spürte, wie der Graf sich verspannte. „Es gibt kein uns. Ich nahm dich zur Frau, weil ich dachte, das Mädchen würde eine Mutter brauchen. Doch ich habe mich geirrt. Diese Ehe war nur eine Zweckehe und sie wird enden, wenn das Mädchen von uns geht und Selina verheiratet ist.“ Faye blickte auf. Tränen standen in ihren Augen. „Aber, ich dachte … ich dachte du liebst mich?“ Der Graf lachte kurz auf. „Dich lieben? Eine normale und gewöhnliche Frau? Nein, ich liebe das Mädchen. Ich liebe ihre rebellische Art, ihre Außergewöhnlichkeit.“ Der Graf stockte kurz und blickte nach unten. Das Mädchen hielt den Atem an. Die Augen des Grafen hatten kurz ein stechendes Gelb angenommen und waren dann wieder zurückgewandelt. ‚Was war das?‘ Er sprach weiter. „Du wirst irgendwann sterben Faye, genau wie Selina. Aber das Mädchen und ich sind uns ähnlich. Wenn sie gereift ist, wird sie meine Partnerin werden.“ Damit drehte sich der Graf um und ging zurück in das Haus. Faye blieb noch eine Weile stehen, trocknete ihre Tränen und folgte ihm dann. Das Mädchen wartete und starrte in die Dunkelheit. Sie war also wirklich anders? Nicht nur vom Aussehen. Dann sprintete sie los, zu den Ställen.




    Der Dunkelfuchs mit der hellen Mähne hatte lange schlanke und sehnige Beine. Der Körper war ebenfalls filigran, aber nicht zu unterschätzen. Wache, aufmerksame Augen und die Ohren stets in Bewegung. Das Zaumzeug und der Sattel waren jedoch einfach gehalten. Keine Embleme, keine großen Verzierungen. Einfaches braunes Leder. Hinter dem Sattel befand sich eine Deckenrolle, sowie zwei Taschen, die alles notwendige beinhalteten. Eine Flasche Wasser, eine Flasche Wein, dazu ein Stück Käse, Hartwurst, getrocknetes Fleisch, Obst und Brot. Ein Beutel Geld, Feuersteine. Papier und Stift. Ebenfalls hatte das Mädchen etwas Kleidung eingesteckt. Das grüne Leinenhemd, eine weitere Hose. Vor dem Sattel war ein warmer Umhang befestigt. Das Mädchen selbst trug eine schwarze Hose, dazu schwarze Stiefel. In den Schäften befanden sich Sai-Gabeln. Ein braunes Hemd, dazu braune Unterarmschienen aus festem Leder. In den Schienen steckten ebenfalls zwei Dolche. Am Gürtel trug sie ein leicht gebogenes Kurzschwert. Um den Hals trug sie ein Medaillon, welches Selina ihr geschenkt hatte. Die Hände steckten in festen Wildlederhandschuhen. Die Haare hatte das Mädchen geflochten und unter einer Mütze versteckt. Sie blickte sich um, verneigte sich vor Faye und dem Grafen, dann fiel sie Selina in die Arme. „Alles Gute große Schwester. Ich werde oft an dich denken und vielleicht werde ich dich eines Tages besuchen.“ Selina hatte Tränen in den Augen. „Pass auf dich auf, kleine Schwester.“ Dann stieg sie auf den Wallach, wendete ihn und ritt vom Hof. Nun also begann die Suche nach ihrem Namen.






    Teil 3




    Ein heftiger Windstoß reißt die Tür auf und lässt sie mehrfach gegen die Holzwand schlagen, ehe der Wirt sie festhalten und wieder schließen kann. Es stört meine Konzentration und auch der Zauber der Geschichte wird unterbrochen. Meine Zuhörer blinzeln, als würden sie aus einem langen Schlaf erwachen. Sie strecken sich, verspüren Hunger und Durst und bestellen erst einmal etwas. Der Wirt genießt meine Geschichten, denn sie füllen seine Kasse. Doch auch ich verspüre Hunger und so bestelle ich mir eine Kartoffelsuppe mit selbst gebackenem Brot. Der Wirt serviert sie mir bereitwillig. Denn dafür, dass ich hier oftmals abends am Lagerfeuer sitze und die Kundschaft fasziniere, erhalte ich freie Getränke und freies Essen.




    Nach dem Essen lehne ich mich satt zurück und warte ab, bis sich die ‚hörende Kundschaft‘ wieder beruhigt hat und mir wieder lauscht. Inzwischen sind ein paar neue Gäste hinzugekommen, die sich flüsternd erkundet haben, worum es in der Geschichte geht. Ich mache es mir in dem Geschichtensessel bequem, ziehe die Decke etwas höher. Ich bin alt und benötige die Wärme für meine alten Knochen. Die Decke ist ein Geschenk meines alten Meisters und hat mir bisher gute Dienste geleistet. Als ich merke, dass diese gespannte Atmosphäre wieder auftritt, lächele ich, erbitte mir eine Kräuterrolle, die ich mir mit einem Feuerspan anzünde. Ich ziehe daran und atme den Rauch langsam aus.




    Die Kutschte brachte sie eine Tagesfahrt hinaus aufs Land. Ein großes Anwesen eröffnete ihnen Tür und Tor. Dem Mädchen lief es eiskalt den Rücken herunter. Soviel Reichtum, Glanz und Erfolg war für die Waisenkinder neu. Jedes Kind erhielt ein eigenes Zimmer. Muria, nein Faye erhielt Arbeit im Haushalt und sie war sehr glücklich damit. Ariana, jetzt Selina, blieb als Kammerzofe und erste Frau der Kinder im Hause. Philippe und Jacque, nun bekannt unter Aktan und Hétral wurden in die Kampfkunst eingeleitet. Hétral als Bogenmeister und Aktan als Armbrustmeister. Und das Mädchen? Nun, es erhielt ein eigenes Reich, badete sich, kleidete sich neu ein. Doch der Name… der ließ auf sich warten. Sie erlernte alles Mögliche. Rechnen, Lesen, Schreiben. Hinzu kamen die Gepflogenheiten der oberen Schicht. Reiten und Fechten, sowie Schwertkampf, Alchemie und Armbrustkampf, all jenes lernte das Mädchen und doch war sie nicht zufrieden. Sie verbrachte viel Zeit mit Selina und Faye, hörte sich Geschichten an, seien sie war oder nicht, das war ihr egal. Eines Tages erwachte das Mädchen in dem riesigen Zimmer, gleich einer Wohnung. Ein Himmelbett, in das 5 der Waisenkinder gepasst hätten. Daneben links und rechts ein Nachttisch. Zum Osten hin gab es eine große Fensterfront, so dass man mit dem Sonnenaufgang geweckt wurde. Gen Westen war eine Wand mit Verzierungen. Im Norden lag das Kopfende der Wand und im Süden war eine breite Schiebetür, die den Rest des Zimmers abschottete. Der Rest bestand aus einem großen Raum, in dessen Mitte ein Tisch mit 4 Stühlen stand. Auch hier war gen Osten eine breite Fensterfront. Zum Süden hin ebenfalls, im Westen lag die Tür, zu der man eintrat.




    Das Mädchen schwang ihre Beine über den Bettenrand und streckte sich. Das Leben, was sie und die anderen führten, lief nun fast ein Jahr so. Ihr Name musste immer noch warten, doch das störte sie nicht. Sie stand auf, schlüpfte in die Hausschuhe und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihr Leben war zwar anstrengend, aber sie bekam gut zu essen, hatte viele neue Kleider, konnte auch mal ausschlafen und sie durfte so oft baden, wie sie wollte. Niemand im Haus störte sich an ihrem Aussehen. Sie ging zum Spiegel und betrachtete sich. Noch immer besaß sie das kindliche Gesicht. Sie band ihre Haare zu einem Pferdezopf und öffnete den Kleiderschrank. Auch sonst war ihr Körper noch sehr mädchenhaft. Sie beneidete Selina und Faye, um den wohlproportionierten Körper. Das Mädchen wählte eine braune Lederhose, dazu ein dunkelgrünes Leinenhemd. Braune Wildlederstiefel rundeten das Bild ab. Die Hose steckte sie in die Stiefelschäfte. An die Arme schnürte sie sich braune Unterarmschienen aus Leder. Sie drehte sich um die eigene Achse und nickte zufrieden. Dann kehrte sie zum Bett zurück, schüttelte das Kopfkissen auf und glättete die Decke. Es gab Angestellte dafür, doch das Mädchen mochte diese Arbeit und niemand verbot es ihr. Sie öffnete noch schnell die großen Fensterflügel, ehe sie den Raum verließ. Sie wendete sich nach links und schritt gemütlich den langen Gang entlang. Ab und an kam ihr eine Bedienstete entgegen, die stehen blieb und sich verbeugte. Dem Mädchen war das noch heute nicht ganz geheuer. Sie war auch nicht zufrieden mit der Gesamtsituation. Der Graf hatte Faye geheiratet und Selina und sie adoptiert. Selina hatte diese Situation freudig angenommen, aber sie selbst noch nicht. Sie blieb an den großen Flügeltüren stehen, hinter denen sich das Esszimmer befand. Sie atmete tief ein, überprüfte den Sitz ihrer Kleidung, dann klopfte sie dreimal an die Eichentür und trat ein. Ihr ‚Vater‘ und Faye saßen am Tisch. Selina war noch nicht da. „Guten Morgen.“ Sie neigte den Kopf leicht und ließ sich dann neben Faye nieder. „Guten Morgen, Kind.“ Sie hasste es, wenn Faye das sagte. Seit der Hochzeit vor 2 Monaten hatte Faye sich sehr negativ gewandelt. Das Mädchen schlang ihr Essen hinunter. „Entschuldigt mich. Ich muss zum Reitplatz.“ Sie sprang auf und rannte hinaus.

    Teil 2




    Ich setze ab. Mein Hals kratzt. Ich greife zum Glas und trinke einen weiteren Schluck. Kurz dringen all die Geräusche der Spelunke an mein Ohr. Porzellangeklapper, Stimmengewirr. Die Magie der Geschichte hat meine Zuhörer ergriffen und hält sie gefangen. Tränen stehen mir in den Augen, doch ich lasse sie noch nicht frei. Noch ist es zu früh. Erneut wende ich mich dem Feuer zu und atme tief ein.




    Das Leben im Waisenhaus verlief einfach viel zu schnell. Der Alltag war stets gleich. Frühstücken, Betten und Zimmer säubern, Mittagessen, dann 2h Freizeit, ehe man Wäsche und andere Haushaltsaufgaben erledigen musste. Dann Abendessen und um 19h strenge Bettruhe. Für die „kleine Schwester“ war es eintönig und langweilig. Die meiste Zeit trug sie ihre Mütze, damit niemand sah, was sie wirklich war. So gingen Jahre vorüber. Als das Mädchen 10 Jahre zählte, kam der Tag der Wende. Eine Kutsche fuhr vor, gezogen von 6 weißen Hengsten. Die Kutsche selbst war azurblau mit goldenen Vorhängen. Die Vorsteherin war total aus dem Häuschen. Das Waisenhaus strahlte, wie nie zuvor. Die Vorsteherin hatte eine Auswahl von Kindern bereit gestellt, im Alter von 4 bis 6 Jahren. Das Mädchen blieb an diesem Tag bei Ariana. Eine Person verließ die Kutsche. Eingehüllt in einen azurblauen Umhang, verdeckt von der Kapuze. Vor der Tür setzt die Person die Kapuze ab. Ein junger Mann, mit markanten Gesichtszügen, einem 3-Tage-Bart, und braunen langen Haaren, die locker wallend den Rücken herunterfielen. „Verehrte Vorsteherin. Ich gedenke 1 bis 3 Kinder zu adoptieren, allerdings erbitte ich Zugang zu jedem Mädchen in diesem Haus.“ Die Vorsteherin verneigte sich. „Ich habe euch bereits eine kleine ‚Auswahl‘ gewählt, die …“ „Nein. Ich suche bestimmte Kinder. Deswegen möchte ich ‚jedes‘ ihrer Kinder sehen.“ Die Vorsteherin wurde bleich, verneigte sich, aber was sollte sie machen. Sie konnte nur zustimmen. So erhielt der junge Mann Einblick in das Waisenhaus, was jedem bisher versperrt blieb. Als die Tür sich öffnete, erstarrten Muria, Ariana und die ‚kleine Schwester‘ ehe sie sich aufstellten und den Kopf neigten. Der junge Mann trat ein, blickte sich um und blieb vor Ariana stehen. Er wandte sich an die Vorsteherin. „Sind alle 3 frei?“ Sie nickte leichenblass. Der junge Mann blickte zu Ariana. „Sieh mich an. Wie heißt du und wie alt bist du?“ Ariana atmete tief ein und antwortete: „Ariana, 20 Jahre alt, Mylord.“ Der junge Mann nickte und ging weiter zur Muria. Hier wiederholte sich die Frage und Muria antwortete. „Muria, 25 Jahre alt.“ Dann kam der Mann zu dem Mädchen. „Dein Name und dein Alter?“ Das Mädchen hob den Kopf und blickte ihn rebellisch an. Der junge Mann stutzte. „Setz deine Mütze ab.“ Das Mädchen stockte, tat aber, wie ihm geheißen. „Man nennt mich ‚kleine Schwester‘ und ich bin 10 Jahre.“ Der junge Mann nickte. „Du kommst mit.“ „NEIN!“ Es schien alles zu stocken. Der Mann war bereit zu Gehen und wandte sich um. „Was?“ „Ich gehe nicht ohne Ariana und Muria hier weg.“ Der Mann lächelte, „Nun gut.“ Er wandte sich an die Vorsteherin. „Ich nehme diese drei hier. Man möge sie abfahrbereit machen. Wir reisen in 15 Minuten.“ Die Vorsteherin erbleichte vollends, verbeugte sich aber. „Wir ihr wünscht.“ Anhand ihrer Stimme erkannte man, dass es ihr nicht gefiel, dennoch konnte sie nichts dagegen machen. Und so kam es, dass die ‚kleine Schwester‘, Muria und Ariana eine neue Reise im Leben begannen.




    Die Fahrt in der Kutsche war einfach aufregend. Obwohl das Mädchen bereits 10 Jahre alt war, konnte sie sich begeistern wie eine jüngere. Natürlich waren viele Neider bei der Abreise gewesen, doch nur Muria und Ariana hatten sie so angenommen, wie sie war. Der junge Mann hatte noch 2 Jungen mitgenommen, die das Mädchen flüchtig unter den Namen Philippe und Jacque kennen gelernt hatte. Nun reisten sie alle in der großen Kutsche und ließen das graue Haus, das lange Zeit ihre Heimat war, zurück. Jacque und Philippe waren die jüngsten mit 4 und 6 Jahren. „Ihr braucht neue Namen bzw. überhaupt einen Namen. Aber bevor ihr den euren bekommt, sage ich euch, wer ich bin. Man nennt mich Graf Seyron. Für euch bin ich einfach nur Graf oder Herr.“ Die sanfte, aber doch bestimmte Stimme riss jede ehemalige Bewohnerin des Waisenhauses aus den Gedanken. Das Mädchen verspürte eine Hitze in sich aufsteigen. Einen Namen. Sie wusste nie, ob sie jemals einen Namen hatte, aber nun sollte sie einen bekommen. Der junge Mann blickte erst die Jungen an. „Philippe, du wirst ab heute Aktan heißen.“ Philippe nickte. Hätte er Platz gehabt, wäre er auf die Knie gefallen, doch nun senkte er den Kopf, um seine Freudentränen zu verbergen. „Jacque, ab heute wirst du Hétral heißen.“ Auch Jacque strahlte vor Freude. Nun wandte sich der junge Herr an die Mädchen. „Muria, ein schöner Name, doch nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt für dich. Gewöhne dich an den Namen Faye.“ „Ich danke euch, Mylord.“ Ihre Stimme klang erstickt. Er nickte. „Ariana… Der Name kann nur vom Waisenhaus kommen. Du wirst ab heute Selina heißen.“ Ariana nickte ehrerbietig. Nun kam ich an die Reihe. Sein Blick ruhte lange auf mir, nachdenklich, wissend. Sie wusste es nicht. „Du bist etwas Außergewöhnliches, ‚kleine Schwester‘.“ Ariana, nein Selina zuckte zusammen und der Herr bemerkte es, nickte. „Du hast hier in der Kutsche zwei wahre Freundinnen, dein Name wird etwas warten müssen, denn du wirst etwas Besonderes benötigen. Also gedulde dich noch etwas.“ Ich lächelte schüchtern.






    Teil 1




    Spannung und stille freudige Erwartung schwebt in der Atmosphäre. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich in diese Spelunke kam. Jeder kennt mich in diesem Land. Ich bin eine Kriegerin, eine Geschichtenerzählerin und vor allem eine Legende, doch letzteres behalte ich für mich. >Berichte uns, wie du zur Kriegerin wurdest, bitte.< Die Augen aller sind auf mich gerichtet und ich seufze. Bis vor wenigen Monden war mir diese Aufmerksamkeit zuwider, doch inzwischen verdiene ich gut Geld mit den Geschichten, die ich erzähle. Ich erzähle von vergangenen Heldentaten und Kämpfen der Kriegerin „…“. Als Erzählerin nenne ich mich Ariana. Niemand weiß, dass ich auch „…“ heiße und dass es meine Kämpfe sind. Ich halte es für besser. Doch hier, in meinem Heimatdorf haben sie es erfahren. Und so sitze ich nun hier, um die Geschichte meines Lebens zu berichten. Ich falte die Hände zusammen, nachdem ich einen Schluck des trockenen Weines getrunken habe und starre ins Feuer. Erinnerungen werden wach.




    Es begann im Herbst vor vielen Jahren. Eine ärmlich gekleidete Frau trat an die Vorsteherin des Waisenhauses heran und überreichte ihr ein junges Mädchen von 5 Jahren. Das Mädchen hatte den Kopf gesenkt und trug ein schmutziggraues Tuch um den Kopf gewickelt. Aus gesenkten Augen versuchte das Mädchen zu erkennen wo es war. „Halt deinen Kopf gesenkt, Balg.“ Die herrische Stimme ließ das Mädchen zusammenzucken. „Ja, Herrin.“ In ihrer Stimme verbarg sich etwas rebellisches, doch sie senkte den Blick. Der Wortwechsel war schwer zu verstehen, doch nach kurzem Hin und Her wurde das junge Mädchen ins Waisenhaus gestoßen. Die Gänge des Hauses waren in einem aschgrau gehalten, der Boden bestand aus schmutzigen Brettern. Es ging reihenweise an Türen vorbei, bis die Vorsteherin an einer stehenblieb, einen großen Schlüssel zückte und die Tür aufschloss. Dahinter befand sich ein Schlafsaal mit 10 Betten an jeder Wand. 15 Betten waren belegt. Das namenlose Mädchen bekam ein Bett direkt an der Tür zugewiesen. „Das ist dein Bett. In der Kiste dort kannst du deine Habseligkeiten …“ sie musterte das Mädchen, „ablegen. Behalte den Schlüssel gut verwahrt. Morgen wirst du dich baden und neue Kleidung bekommen.“ Sie rümpfte die Nase und verließ den Raum. Ängstlich stieg das Mädchen in das Bett. Es war ein Sack mit Stroh gefüllt. Die Decke war rau und kratzte, doch das störte das Mädchen nicht. Niemand beachtete sie. So schlief sie ein.




    Am nächsten Tage wurde sie zur Vorsteherin gerufen. Eingeschüchtert stand sie nun vor der korpulenten Frau. „Du stinkst, geh dich baden, danach kannst du wiederkommen.“ Sie erhob die Stimme: „Ariana, bring das Mädchen zum Badezimmer.“ Die Tür wurde geöffnet und ein Mädchen von 15 Jahren betrat den Raum. „Folge mir.“ Ihre Stimme klang weicher und das Mädchen folgte ihr. „Wie heißt du denn?“ Das Mädchen schwieg. „Bist du stumm?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber man gab mir keinen Namen. Ich wurde immer Balg gerufen.“ Ariana schmunzelte. „Ich habe meinen Namen von der Vorsteherin bekommen. Auch ich war namenslos.“ Das Mädchen wurde mutiger. „Wie lange bist du schon hier?“ „Ich würd sagen 10 Jahre, aber in meinem Alter werde ich auch kaum hier wegkommen.“ Wehmut klang in der Stimme mit. „Danke“ Ariana drehte sich um und lächelte. „Ich nenne dich kleine Schwester.“ Vor dem Badezimmer angekommen, klopfte Ariana dreimal, dann trat sie ein. Das Mädchen folgte und staunte nicht schlecht. 10 Badezuber standen in dem Raum, an einer Wand stand ein Regal mit vielen Handtüchern. „Ah Ariana, wen bringst du uns denn diesmal?“ Eine junge Frau trat heran und lächelte warmherzig. „Komm nur heran und entkleide dich. Du kannst in den Zuber dort drüben steigen. Das Wasser ist genau richtig.“ Ariana lächelte. „Ich warte draußen kleine Schwester.“ Das Mädchen wagte zu lächeln und bekam es mit der Angst. Was wäre, wenn beide erfuhren, wie sie wirklich aussah. Man verachtete sie wegen ihres Aussehens. Das Mädchen entledigte sich der Lumpen und stieg in den Zuber. „Das Tuch musst du auch abnehmen.“ Noch bevor das Mädchen was machen konnte, hatte die Frau ihr das Tuch entfernt. Ein kurzes Glimmen in den Augen der Frau war zu sehen, sonst nichts. „Du hast schönes Haar, auch wenn es für dich schwer wird, eine neue Familie zu finden.“ „Ich wurde immer gehänselt und abgewiesen. Warum?“ Tränen standen in den Augen des Mädchens, während die Frau die Haare bürstete, wusch und ihr die Seife für den restlichen Körper gab. „Rotes Haar wird als Mal einer Hexe gedeutet. Dazu deine grünen Augen. Du bist zwar eine seltene Schönheit damit, aber es wird auch schwer werden. Niemand hier mag etwas Außergewöhnliches haben wollen. Wie heißt du?“ „Man nannte mich Balg. Ariana nennt mich kleine Schwester.“ Die Frau lächelte. „Mein Name ist Muria. Ich bin die gute Seele hier.“ „Danke.“ Muria verschwand und kam wenige Minuten später mit einem Handtuch wieder. „Steig heraus, sonst erkältest du dich.“ Das Mädchen bedankte und wickelte sich in dem Handtuch ein. „Hier hast du neue Kleidung.“ Sie bekam eine braune Leinenhose, dazu braune Leinenschuhe, ein graues Leinenhemd. „Es tut mir leid, aber du solltest dir diese Mütze aufsetzen.“ Das Mädchen nickte verstehend. „Das werde ich. Habt vielen Dank.“