Beiträge von Woelfchen

    III


    Der nächste Tag brachte Regen und kalten Wind mit sich. Es war ungemütlich geworden und das mitten im Juni, wo es eigentlich warm und sonnig sein sollte. Alesca öffnete das Dachfenster, und ein kalter Wind bahnte sich seinen Weg in die Wohnung, wirbelte einmal herum und hielt plötzlich inne, so als wäre er erstarrt. Alesca seufzte tief, schloss das Fenster und blickte auf die Scheibe, an denen sich die Regentropfen ihren Weg nach unten bahnten.


    „Was gibt es? Es muss einen Grund geben, dass du mitten im Sommer hier so einen ‚Wind‘ machst.“


    Sie drehte sich nicht um, doch sie wusste, dass der Wind inzwischen eine Gestalt angenommen hatte. Es kam keine Antwort, aber das störte die Frau nicht. Sie wusste, dass er seine Worte geschickt wählte, um bloß keine Fragen aufzubringen. Es vergingen die Sekunden, dann die Minuten, ehe der Wind sich entschied, doch zu antworten. Es klang wie ein Hall.


    „Ja.“


    Alesca verdrehte die Augen. Natürlich, es war die Antwort auf die zweite indirekte Frage, nicht auf die erste direkte. Dennoch blickte sie weiterhin auf das Fenster. Sie wusste, dass ER keinen direkten Blickkontakt mochte und sie war die Letzte, die einen magischen Buchladen so führte, wie es sich gehörte. Sie erinnerte sich zurück, während sie auf die Antwort wartete. Einst gab es tausende von den magischen Buchläden. In jeder Stadt war mindestens einer und man konnte eigentlich fast jedem Menschen irgendwie helfen und sei es nur, um ihm einen schönen Tag zu wünschen. Doch nach und nach verschwanden sie, denn die Buchladenbesitzer fühlten sich zu mächtig und wussten doch nicht, dass man ihnen die Macht nur geliehen hatte. Sie fingen an, für ihre Arbeit von den „Kunden“ Geld zu nehmen und das war die oberste Regel. ‚Lasse dich niemals für eine gute Tat bezahlen!‘ Irgendwann gab es von den einstigen Tausenden, gerade mal noch 100 magische Buchläden. Alesca selbst war erst später dazu gekommen, als ihre Vorgängerin aus gesundheitlichen Problemen aufhören musste. Man hatte sie aufgrund ihres Charakters dazu ‚berufen‘. Doch auch diese Zahl reduzierte sich erheblich und war inzwischen in den untersten zweistelligen Bereich gewandet.


    Endlich, nach gut einer halben Stunde antwortete ER.


    „Deine Arbeit wird immer wichtiger. Immer mehr Magie verschwindet aus dieser Welt, dabei ist gerade diese so wichtig in dieser Zeit. WIR versuchen herauszufinden, was passiert ist. Ich bitte dich, deine Arbeit weiterhin so zu machen und die Magie weiter zu geben. Erneut ist ein Buchladen verschwunden.“


    Alesca nickte stumm und öffnete das Fenster. Der Wind fand hinaus und verschwand im Himmel und wie, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, verschwanden Wind und Regen und die Wolken gaben die Sonne wieder frei. Alesca blickte sich im Raum um, dann schloss sie das Dachfenster und öffnete die Bodenklappe. Die Uhr tickte wieder. Sie hatte aufgehört, während ER da gewesen war. Das bemerkte Alesca allerdings erst jetzt. Es war keine Zeit vergangen, während des Gesprächs. Sie trat die Stufen herab und schloss die Luke hinter sich wieder. Der Buchladen ruhte noch und das würde sich nicht allzu bald ändern, denn das Verschwinden eines weiteren magischen Buchladens drückte die Stimmung. Alesca strich mit ihren Fingerspitzen wie immer über die Buchrücken, doch sie spürte nur Trauer und Verzweiflung. Heute war ein Trauertag und so blieb der Buchladen geschlossen.


    „Ich weiß, auch mich stimmt es traurig. Heute dürft ihr eurer Trauer Zeit geben.“


    Das Licht blieb gedimmt und eine düstere Atmosphäre hielt Einzug. Alesca ging in den Hinterraum und öffnete die Schublade, in der die Feder lag. Sie holte die Schatulle heraus und öffnete diese. Diesmal glänzte der Stoff in Regenbogenfarben und die Feder selbst war schwarz. Behutsam strich sie über das weiche Federende. Sie spürte das Zittern und Beben und wusste, auch hier wurde getrauert. Sie deckte die Feder wieder ab, schloss die Schatulle und verstaute diese dann in der Schublade. Dort wo sonst Leben und Magie herrscht, war es heute dunkel und düster. Eine Kerze nach der anderen flackerte erst, dann beruhigte sich die Flamme und der Kerzenschein spendete etwas Wärme in dieser dunklen Zeit.



    Die junge Frau ging an den Regalen entlang zu den Fenstern und schob sanft den Vorhang etwas zur Seite. Draußen herrschte, wie immer, absolute Geschäftigkeit und es schien, als würden auch die hilfesuchenden Seelen innehalten. Als würden sie spüren, dass heute etwas Schlimmes geschehen war. Ein leises Klong ertönte, als der Kopf der Buchhändlerin sacht gegen das Glas gelehnt wurde. Sie schloss die Augen und die Lider zuckten, als sie zurückdachte, zurück an den Anfang. Auch sie war eine hilfesuchende Seele gewesen, einst und hatte diesen Buchhandel gefunden.

    II


    Mit einem Schlag verdunkelte sich der Himmel und Alesca blieb kurz stehen. Sie schloss die Augen und hörte auf ihren Herzschlag. Dann wurde die Tür aufgerissen. Alesca blieb ruhig. Sie hatte die unruhige Seele schon gespürt. Ein junger Mann stand durchnässt und mit zerzausten Haaren im Raum. Seine Augen waren leer und blickten stumpf auf den Boden. Die Regentropfen perlten die Haarsträhnen herunter und bahnten sich dann den Weg auf den schönen Holzboden. Erst als Alesca ihm ein Handtuch hinhielt, klarte sein Blick auf. Er blickte der jungen Frau mitten in die Augen und nahm langsam das Handtuch entgegen. In der anderen Hand hielt Alesca eine Tasse dampfenden Tee. Sie deutete auf einen Stuhl und stellte die Tasse auf den Tisch daneben. Dann wandte sie sich um. Ihr Blick schien etwas zu suchen, dann mit einem triumphierenden Grinsen, griff sie zu einer kleinen Trittleiter, schwang sich auf die oberste Stufe und holte ein Buch mit einem dunkelblauen Samteinband hervor. Sie sprang mit Leichtigkeit herunter und ging zum Mann. Das Buch legte sie neben den Tee, dann ließ sie ihn alleine.



    Der junge Mann, sein Name war Marten, saß immer noch fassungslos auf dem Sessel, das Handtuch über den Kopf gehängt. Er dachte an die letzten 4 Stunden. Seine Hand wanderte in seine Manteltasche und holte ein kleines Schmuckdöschen hervor. Er klappte den Deckel auf und blickte auf den Ring, der 2 Delfine darstellte, deren Augen aus Zirkonia bestanden. Seine Hand krampfte sich zusammen. Mit einem leisen Klick schloss sich der Deckel wieder. Marten rubbelte sich die Haare trocken und dann erst realisierte er, wo er war? Seine Augen wurden größer. Er hatte diesen Buchladen noch nie gesehen und das verwunderte ihn. Er las für sein Leben gern und kannte in dieser Stadt eigentlich alle Buchhändler und Bibliotheken. Wie mechanisch griff er zur Tasse und nippte an dem Tee. Er schmeckte lecker, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, jemals so einen Geschmack im Mund gehabt zu haben. Es erinnerte ihn an glückliche Zeiten, damals, als Elisa noch bei ihm war. Dann fiel sein Blick auf das Buch. Neugierig strich er über den Samteinband und es schien, als würde ein glockenhelles Lachen ihn neckisch locken. Er griff mit beiden Händen zu, nachdem er den Tee abgestellt hatte und schlug den Einband auf. Es schien, als würde ein sanfter Wind ihn umstreichen. Er folgte einer Eingebung und hob den Blick. „E… Elisa?“ Vor ihm stand seine Angebetete. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und lachte ihn an. Sie streckte die Hand nach ihm aus und Tränen stiegen ihm in die Augen. Das Buch hypnotisierte ihn und er fing an zu lesen. Es fesselte ihn richtig und er konnte nicht aufhören.



    Es begann, als er Elisa das erste Mal gesehen hatte, damals auf dem Unigelände. Es schien, als würde die Sonne aufgehen, wenn er sie ansah. Ihre langen blonden Haare mit den rötlichen Strähnen fielen ihr wie Seide über die schmalen Schultern. Sie trug eine hellblaue Jeans, dazu eine pastellgelbe Bluse. Ihr Lachen war glockenhell und sie wirkte nicht künstlich, wie die anderen Frauen auf dem Campus. Marten war sofort gebannt von ihr. Der erste Kontakt kam in der Mensa zustande. Marten stand an der Ausgabe und wählte den Gemüsepuffer mit einer sahnigen Kräutersoße, dazu gemischter Salat, als er angesprochen wurde. „Entschuldigung, könnten Sie mir sagen, ob der Gemüsepuffer hier gut schmeckt?“ Marten drehte sich um und hätte fast das Tablett fallen gelassen. Strahlend grüne Augen blickten ihn fragend an. „Entschuldigung?“ Sie lächelte und zeigte auf das Essen. „Der Gemüsepuffer.“ Marten zuckte zusammen und realisierte die Frage jetzt erst. „Oh, ja. Die schmecken sehr gut. Viele verschiedene Gemüsearten und dazu die leckere Kräutersoße. Kann ich wärmstens empfehlen.“ Sie lächelte. „Danke. Dann probiere ich die auch einmal.“ „Wenn sie wollen, können wir uns einen Tisch teilen.“ Sie nickte dankbar. Marten wartete vor der Kasse und bezahlte dann beide Essen von seiner Karte. Sie setzten sich an einen Tisch und es war, als würden sie sich ewig kennen. Sie lachten und verstanden sich prächtig. Es hatte bei beiden sofort gefunkt. Ab diesem Moment an, verbrachten sie jede Minute zusammen, lernten für die Uni oder trafen sich im nahegelegenen Park. Aus einer Freundschaft wurde eine Liebschaft und schließlich eine Beziehung. Elisa und Marten waren ein Herz, eine Seele und ein Geist und sie genossen jede Minute miteinander. Die Zeit schritt voran und die beiden begannen die Zukunft zu planen. Kinder, ein gemeinsames Haus, die Ehe und dann kam der Schicksalstag. Marten und Elisa waren mit dem Auto unterwegs zu einem Besuch bei der Frauenärztin. Sie wollten sich über eine mögliche Schwangerschaft erkundigen. An der Kreuzung, kurz vor der Praxis hielt Marten an einem Zebrastreifen an, um eine junge Frau über die Straße zu lassen. Er alberte mit Elisa über mögliche Kindernamen herum und achtete kaum, was sich hinter ihnen anbahnte. Die junge Frau war gerade fast auf der anderen Straßenseite angekommen, als sie laut aufschrie, doch es war zu spät. Marten blickte in den Rückspiegel und dann krachte es schon. Er wurde nach vorne geschleudert, der Wagen schob sich, trotz Bremsen auf die Kreuzung. Marten schlug mit dem Kopf auf das Lenkrad. Er schloss die Augen und hörte Elisa neben sich schreien, dann ein weiteres Krachen und Stille.



    Das Auto stand auf der Kreuzung, hinten eingedrückt und an der Beifahrerseite eingedrückt. Qualm stieg aus dem Motorraum. Die Insassen hingen blutend in den Gurten. Die junge Frau hatte sofort nach dem ersten Aufprall die Polizei und den Rettungswagen gerufen, dann war sie los geeilt. Sie konnte die Fahrertür öffnen und holte ein Taschenmesser aus der Hosentasche. Damit konnte sie den Gurt des Fahrers durchtrennen, doch sie wagte nicht, ihn zu bewegen. „Können sie mich hören? Hallo? Hilfe ist unterwegs, ich habe die Rettungskräfte gerufen. Versuchen sie sich nicht zu bewegen.“ Die junge Frau fluchte lautlos, hätte sie doch mal den Erst-Helfer-Kurs damals mitgemacht, der von ihrer Firma angeboten wurde, doch sie hatte es damals als lächerlich abgetan. Nun stand sie hier. Nur kurze Zeit später waren weitere Leute vor Ort, auch einige die einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hatten und ihr halfen. Danach ging alles ganz schnell. Die Polizei und der Rettungswagen trafen ein, alarmierten die Feuerwehr, die die zwei PKWs trennten und die Beifahrertür aufschweißten, um die junge Frau zu bergen.



    Marten wachte im Krankenbett auf. Er spürte Schmerzen und Verwirrung, was war passiert. Nur langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Sein Mund war trocken, als er versuchte zu schreien. Doch eine Schwester wollte gerade nachschauen, wie es ihm ging und holte direkt den Arzt, als sie sah, dass er wach war. Die folgenden Tage waren von Monotonie beherrscht. Er selbst war glimpflich davongekommen. Prellungen, Quetschungen, eine Gehirnerschütterung und ein angebrochener Oberschenkel. Elisa dagegen hatte es schlimmer erwischt. Sie lag, nach Angaben des Arztes, im Koma auf der Intensivstation. Marten durfte sie nicht besuchen, er musste erst einmal selbst gesund werden. Jede Sekunde dachte er an seine Freundin und hoffte, dass sie bald aufwachen würde. Er strengte sich an, gesund zu werden, bald konnte er mit der Physiotherapeutin die ersten Gehversuche auf den Krücken üben und in all der Zeit dachte er nur an Elisa, die immer noch nicht aufgewacht war. Verbissen kämpfte er für seine Genesung, dennoch dauerte es Monate, bis er wieder fit und gesund war und immer noch wurde Elisa künstlich beatmet. Marten durfte inzwischen jedoch zu ihr und an ihrem Bett verweilen. Er redete oft mir ihr, sagte ihr, wie sehr er sie vermisste und wie sehr er hoffte, dass sie wieder aufwachen würde. Sie war blass geworden, dünn, abgemagert und das regelmäßige eintönige Aufseufzen der Beatmungsmaschine war neben den piepsenden Geräuschen der Lebenserhaltenden Geräte nicht gerade beruhigend.


    Marten schreckte zurück und blinzelte verwirrt. Wo war er? Er spürte diese wohlige Wärme, roch den Tee und realisierte nach und nach, dass er nicht im Krankenhaus war, sondern in einem Sessel saß. Er blickte auf seine Oberschenkel, auf dem das Buch lag aufgeschlagen. Fast am Ende, doch die Seiten waren leer. Er schüttelte den Kopf leicht und wollte die Teetasse anheben, als er einen Stift sah. Ohne nachzudenken griff er danach und begann die Geschichte zu Ende zu schreiben, wie er sie es gerne hätte. Er hielt inne, schloss die Augen und erinnerte sich an das letzte Gespräch mit dem Arzt. „Es tut mir leid, Herr Anders. Ihre Freundin wird wohl nicht mehr aufwachen und ihre Eltern, die inzwischen von der Weltreise zurückgekommen waren, haben sich entschieden, die Lebenserhaltenden Maßnahmen auszuschalten. Wir werden das in den nächsten 48h veranlassen. Wenn sie sich verabschieden wollen, sagen sie Bescheid.“ Marten öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. Diese Gedanken wollte er nicht haben. Er setzte den Stift an und fing an zu schreiben. Er vergaß total, dass dies nicht sein Buch war, sondern ein Buch aus einer Buchhandlung. Er wollte das Ende ändern, das Schicksal umlenken, er wollte seine Elisa wieder im Arm halten, sie küssen und ihre Stimme hören. Er wollte, dass sie gemeinsam die Zukunft erleben konnten. Als die letzten Seiten gefüllt waren, ließ er den Stift fallen. Klappernd fiel er zu Boden und Marten schien aus einer Trance aufzuwachen. Erschrocken blickte er auf das Buch. Alesca stand in der Tür und lehnte sich auf einen Tresen. „Ich … ich, es tut mir leid… ich habe vergessen…“ Sie hob die Hand. „Es ist in Ordnung. Gehen Sie zurück zu ihrer Freundin ins Krankenhaus. Es war schön, dass sie hier Leben in den Laden gebracht haben. Alles Gute für ihre Freundin und sie.“ Marten wollte gerade den Laden verlassen, als die Besitzerin ihn zurückhielt. Sie trat auf ihn zu und reichte ihm das Schmuckdöschen. „Ich glaube, das brauchen sie noch.“ Er blickte auf ihre Hand, dann nickte er langsam, nahm das Döschen und verließ eiligst den Laden.



    Alesca schloss hinter ihm ab. Für heute hatte sie ihre Pflicht erfüllt. Sie nahm das Buch, hob den Stift vom Boden auf und trug alles, auch die Tasse, in ihr Hinterzimmer. Die Tasse stellte sie in das Waschbecken, das Buch legte sie auf ihren Tisch. Sie trat an die Zwischentür heran und zog den Vorhang zu. Mit langsamen Schritten trat sie an den Tisch, öffnete den Zopf, so dass ihr die Haare über die Schultern fielen. Sie öffnete die Schublade und holte die Schatulle heraus. Liebevoll strich sie über die gravierte Oberfläche und setzte sich an den Tisch. Mit leisem Summen öffnete sie die Schatulle, legte den Seidenstoff zur Seite und holte die Feder heraus. Sie legte die Schatulle zur Seite, öffnete das Buch, schlug die letzten Seiten auf und setzte mit der Schreibspitze auf die Schrift. Sie war geschwungen und schön, zeugte von einer gebildeten Person. Ein sanfter Wind strich durch das Zimmer. Erneut wogte die Feder und wurde losgelassen. Wie von Geisterhand bewegte sich die Feder. Sobald sie die Seiten berührte, erstrahlte ein Licht und die Feder zog mit leuchtenden Linien die Schrift nach. Doch hier reagierte die Feder anders, als bei Ellis Buch. Das Strahlen, welches sich nun zeigte, war weniger hell, dafür aber sehr intensiv. Die Schrift wandelte sich und das Ende der Geschichte zeigte ein Bild von einem fröhlichen Paar, welches strahlend vor einem Reihenhaus stand, mit einem Baby auf dem Arm. An der Hand der Frau glänzte ein Ring, in Form von 2 Delfinen, mit Augen aus Zirkonia. Die grünen Augen der Frau leuchteten und strahlten verliebt den Mann neben ihr an.



    Die Feder verlor an Magie und legte sich sanft in die Hand der Autorin. Diese säuberte sie und verstaute sie wieder in der Schatulle. Die Schatulle verschwand in der Schublade. Alesca hielt die Hand über das Buch, schloss die Augen und versiegelte das Ende.



    Weit entfernt in einem Krankenhaus öffnete eine junge Frau nach Wochenlangem Koma die Augen. Tränen rollten der jungen Frau über das Gesicht, als sie blinzelte und ihren geliebten Freund neben sich sah. Er konnte sein Glück kaum fassen. Die Ärzte hatten ihm mitgeteilt, dass sie nie wieder aufwachen würde, doch nun war sie wach und sie weinte vor Freude. Die Ärzte waren erstaunt und konnten sich das Wunder nicht erklären, doch Marten wusste, woher er diese Wandlung kannte. Er hatte sie selbst niedergeschrieben. Er wusste nun, was der Buchladen für ein Geschenk war.



    Das Buch leuchtete, als die Frau erwacht war und Alesca nickte zufrieden. So war es damals auch bei Ellie. Alescas Buchladen war für jene da, die Hoffnung brauchten und sie gab ihnen die Hoffnung mit ihrer Magie. Ein so genanntes „Happy End“, das war Alescas Aufgabe in dieser Welt.


    Für den heutigen Tag war Alescas Arbeit getan und sie zog die Vorhänge zu, löschte das Licht und schloss den Buchladen ab. Sie öffnete eine kleine Holztür, die versteckt war und stieg eine alte Treppe hoch. Ihre Fingerspitzen fuhren sanft über die Holzvertäfelung an beiden Wänden. Oben angekommen, drückte sie eine Bodenklappe auf und stand in einem kleinen runden Raum. In der Mitte stand eine Glasvitrine, in diesen lagen verschiedene Statuen und Figuren. Alesca öffnete die Glastür und holte eine kleine Pferdefigur und ein Brautpaar heraus, Sie wandte sich zur linken Wand und drückte die Figuren in eine Form in der Wandvertäfelung. Diese leuchtete kurz rötlich auf und dann wurde ein Gemälde daraus. Zufrieden nickte Alesca. Während sie mit dem Rücken zur Glasvitrine stand, erleuchtete diese ebenfalls und die 2 leeren Plätze wurden aufgefüllt. Einige Figuren wurden grau und zerfielen zu Staub. Dies hatte mehrere Gründe, entweder weil die Leben abrupt beendet wurden oder sie ihr Glück auf einem Scheideweg begegnet waren. Doch das war der jungen Frau nicht wichtig. Sie trat an die andere Wand und ließ sich auf eine Matratze nieder. Ein Blick nach oben und der Sternenhimmel verzauberte ihre Gedanken.

    I


    Eines Tages öffnete sich die Tür und ein Mädchen auf Krücken kam herein. Sie hatte den Laden zufällig entdeckt und war neugierig geworden. Als sie eintrat, roch es in dem Laden nach Blumen und Natur, etwas das sie sehr geliebt hatte, bevor sie diesen Unfall hatte. Vogelgezwitscher erklang, doch sie konnte keine Lautsprecher entdecken. Ihre Hände fuhren sacht über die verschiedenen Buchrücken, bis sie zu einem kam, bei dem sie innehielt. Ein grünbrauner Ledereinband, der sich anfühlte wie die Blüten einer Blume und der Duft von frisch gemähtem Gras. Sie zögerte kurz und zog es dann aus dem Regal hinaus. Ihr Blick fuhr suchend in dem Raum herum und sie fand einen Sessel. Langsam humpelte sie dorthin, ließ sich nieder und öffnete den Einband. Es war, als würde sie in einem kurzen Sog sein. Sie schloss die Augen und als sie diese wieder öffnete, befand sie sich auf einem Bauernhof. Sie kannte ihn, konnte ihn aber nicht benennen. Staunend blickte sie sich um, roch die Düfte ein, nahm die Geräusche auf und spürte den Wind auf ihrem Gesicht. Es erinnerte sie an den Hof ihrer Oma, wo sie bis vor kurzem noch Ferien gemacht hatte. Sie trat ein Schritt voran und bemerkte, dass sie keine Schmerzen hatte. Wo waren ihre Krücken? Sie ging erneut einen Schritt und dann noch einen, bis sie losrannte. Das Bauernhaus näherte sich und dann stand sie schwer atmend am Zaun. Ihre Oma stand im Garten und erntete Tomaten. Ellie, so hieß das Mädchen, strahlte. Sie stellte sich mit einem Fuß auf die untere Latte des Zauns und schwang das andere Bein über die oberste Latte. Dann drückte sie sich kurz hoch, zog den anderen Fuß nach, um dann sanft auf der anderen Seite des Zauns zu landen. Sie federte in den Knien nach und stand wieder aufrecht. Es tat so gut, wieder fit zu sein. Sie hasste den Unfall, den sie damals gehabt hatte und sie seufzte. Damals? War es damals oder, nein, wo war sie denn jetzt? Wann war jetzt?


    Für einen kurzen Moment rollte eine Träne über die Wange und mit einem Zusammenzucken saß sie wieder in dem kleinen Buchladen. Was war passiert. Sie wischte sich die Träne weg und blätterte im Buch weiter. Sie kehrte nicht mehr zurück ins Buch, doch die nächsten Seiten spiegelten ihr Schicksal wider und weitere Tränen rollten. Doch sie konnte das Buch nicht weglegen und als sie abermals umblätterte, starrte sie auf eine leere Seite. Verwirrt blätterte sie weiter, doch die Seiten waren leer. Als sie aufblickte, stand die Buchhändlerin vor ihr und hielt ihr einen Becher mit warmen Kakao hin. Sie nahm ihn entgegen, nahm einige Schlucke und stellte den Becher auf den Tisch neben ihr. „Warum hat das Buch kein Ende?“ Die Buchhändlerin zuckte mit den Schultern und reichte Ellie einen Stift. „Ich weiß es nicht, aber vielleicht hast du Lust, eines zu schreiben oder zu malen?“ Ellie zögerte kurz, dann nahm sie den Stift entgegen und fing an zu überlegen. Die Buchhändlerin wandte sich ab und ließ sie allein. Als Ellie fertig war, stand sie auf und humpelte mit einer Krücke zum Tresen. Sie legte das Buch dorthin und lächelte dankbar. „Ich muss jetzt nach Hause. Vielen Dank für das schöne Leseerlebnis.“ Die Buchhändlerin nickte und nahm das Buch entgegen.



    Als Ellie das Geschäft verlassen hatte, zog Alesca, so hieß die Buchhändlerin, den Vorhang zu, der sich bis zu dem Zeitpunkt versteckt in einer Nische über der hüfthohen Absperrung befand. Sie ging die wenigen Schritte zu dem kleinen Tisch und zog eine Schublade heraus, die sich links an der Seite befand. Genau gegenüber vom Fenster. Eine Schatulle kam zum Vorschein, aus schwarzem Ebenholz gefertigt, mit einem großen schwungvollen A verziert. Alesca begann leise zu summen, während sie sich schwarze Seidenhandschuhe anzog und die Schatulle öffnete. Ein schwarzes Stück Seide wurde nun fast zärtlich weggezogen. Zum Vorschein kam eine goldene Schreibfeder mit roten Granaten verziert. Die Feder selbst leuchtete in allen Farben des Regenbogens und sobald sie sich bewegte, schien es, als würden die Farben wie in einem Glas Wasser miteinander verschmelzen. Alesca öffnete das Buch, welches Ellie ihr gegeben hatte und hielt die Feder über die Seiten, die von dem Mädchen gefüllt wurden. Die Feder wogte in einem nicht vorhandenen Wind hin und her, dann ließ Alesca sie los und die Feder begann die Linien der Schrift nachzuziehen. Das Buch erstrahlte kurz. Dann wandelten sich die Buchstaben in ein wunderschönes Schlussbild, auf dem Ellie mit ihrer Großmutter auf dem Bauernhof zu sehen war, strahlend sitzend auf einem braunen Pony mit einer Siegerschleife am Zaumzeug. Alesca stellte das Buch zurück in das Regal. Der Einband wandelte sich zu einem normalen grün-braunen Ledereinband. Der Titel erschien und lautete ab dann „Ellie’s Genesung“. Für jeden anderen würde es ein normales Buch sein, doch für Ellie, für das kleine Mädchen mit dem großen Traum, würde ihr Wunsch in Erfüllung gehen. Reiten, wieder lachen und gehen, das konnte sie, nachdem die Seiten realisiert und nachgezeichnet wurden.



    Der Buchladen sollte eine Art Oase für jeden sein, der in seinem Leben Mut oder Trost brauchte, deswegen sahen auch nur jene Leute diesen Laden. Während ein Mensch, der keine Fantasie hatte und sich nur im Strom der Masse fortbewegte, wurden die Einzelschicksale übersehen. Alesca stand mit einer Tasse Kaffee am Fenster und blickte hinaus, doch sie sah nicht die Masse, diese verschwamm vor ihren Augen, stattdessen erkannte sie jene, die dem Strom entkamen oder nicht mitgerissen wurden. Die man übersah oder denen man keines Blickes würdigte. Sie waren es, die der Buchhandel anzog. Alesca seufzte und trank einen Schluck Kaffee. Dieser Tag war noch nicht zu Ende, das spürte sie. Nachdem sie die Feder wieder zurück in die Schatulle gelegt hatte und der Zauber vorerst verflogen war, entspannte sie innerlich. Das Schwingen der Magie fiel von ihr ab, aber sie war noch nicht fertig. Es gab noch genug Bücher, die in den Sphären des Raumes rumorten. „Schhhh. Ruhig, eure Zeit wird kommen. Geduldet euch noch ein wenig.“ Das Rumoren wurde ruhiger, aber es verschwand nicht. Alesca kannte dieses Geräusch nur allzu gut. Aber außer ihr konnte es niemand hören. Sie strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht und trat in den kleinen Buchraum. Ihr Blick glitt über jedes Buch, obwohl es immer wieder Bücher gab, die von den Besuchern vollendet wurde, standen noch mehr als genug Bücher hier, die unvollendet war. Sie lächelte leicht und wandte sich dann an den hinteren Raum.

    Prolog


    Wenn man genau hinsah, konnte man mit Mühe ein kleines Eckhaus an der Seite eines riesigen Bürogebäudes entdecken. Es schmiegte sich liebevoll an die kalte Glaswand an und schien dennoch genau richtig ins Bild zu passen. Die Wände waren aus rotem Backstein und sahen, trotz des Alters, immer noch aus wie gerade eben verputzt. 2 große Fensterfronten konnte man von vorne sehen, eine links und eine rechts von einer kleinen Holztür, die nur am oberen Rand 3 Spitzwinklige Fenster besaß. Das Holz war rotbraun und sah warm und freundlich aus. 2 Stufen führten hinauf zu der Tür, darüber lagen, für Rollstuhlfahrer 2 schräge Rampen für die Reifen. Nur ein Schild über der Tür wies darauf hin, dass es sich hier um einen Buchladen handelte. Hier konnte man aber Bücher nicht ausleihen oder kaufen. Geschäftige Menschen eilten an dem Buchladen vorbei und schienen ihn nicht zu sehen. Während die Menschen mit Geduld und Zeit und auch die Kinder dieses Häuschen bewunderten. Die Besitzerin war eine junge Frau in den besten Jahren und sie liebte es zu schreiben. Sie hatte jedes Buch in diesem Buchladen mit ihren Gedanken und Fantasien gefüllt und doch gab es immer noch Seiten in den Büchern, die leer waren.


    Der Innenraum des Geschäftes war klein und gemütlich. Bilder mit fremdartigen Wesen hingen an den Wänden, Dekorationen mit Katzen und Drachen standen auf verschiedenen Regalen und Fensterbänken. In den hinteren Teil des Raumes konnte man zwar hineinsehen, aber nicht hingehen. Er war durch eine hüfthohe Tür, mit rotem Samt verkleidet, abgesperrt. Man konnte einen kleinen Tisch, ein Stuhl und einige Blumen sehen. Der köstliche Duft eines Tees zog durch die Räume. Die junge Frau hatte sich entschieden, keine Bücher zu verkaufen, denn sie bewahrte ein anderes Geheimnis. Die Magie jahrelanger „Autorenliebe“. Mit der konnte sie jede Situation zu etwas Gutem oder Schlechtem machen, konnte Lachen oder Tränen herbeirufen, Sehnsucht und Heimweh erzeugen.


    Dieser Buchladen war nur einer von vielen und doch war er etwas Besonderes. Hier flimmerte die Magie vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Schicksale. Die Magie würde jeden hier verzaubern, der offen war, verzweifelt oder einfach nur des Lebens müde.

    Ein lautes Gähnen erklang und in die Deckenkugel kam Bewegung. Es raschelte, dann wurde geflucht und endlich schaute ein kleines rundliches Gesicht hervor. Die Haare standen wirr vom Kopf ab und die Augen hatten Mühe auf zu bleiben. Warum war die kleine Elfe wach geworden? Sie strampelte sich aus dem Rest heraus und streckte sich. Der kleine Körper steckte von Kopf bis Fuß in einem Ganzkörperpyjama in den Farben Rot und Grün mit weißen Schneemännern bedruckt. Sie setzte sich auf die Bettkante und bevor sie sich erinnern konnte, wurde ihr Zimmer von einem Beben durchgerüttelt. Schlagartig erinnerte sie sich, als eine Schneekugel den Weg auf den Boden fand und dort mit einem lauten Klirren zerbarst.


    „Och nö. Die habe ich von Bobby geschenkt bekommen vor 2 Jahren.“


    Die kleine Elfe ging zu der kaputten Schneekugel hinüber und hob sie vorsichtig auf. Im Inneren stand der Moment noch. 2 kleine Elfen, die auf einem zugefrorenen See kunstvoll Schlittschuh liefen. Bobby hatte sie selbst hergestellt und ihr geschenkt. Traurig stellte sie das Geschenk ab und wandte sich um. Es waren weitere Gegenstände zu Bruch gegangen, die aber beim vorherigen Beben den Halt verloren hatten. Ellie, so hieß die Elfe, eilte zum Kleiderschrank und zupfte ein rotgrünes Kleid heraus, dazu lange Strümpfe, die mit Schnallen am Unterkleid befestigt wurden und die typischen Schnabelschuhe mit der hochgerollten Spitze. Sie griff zu langärmligen Handschuhen und eilte aus ihrem Zimmer. Ein Blick in den Spiegel ließ sie erschrecken.


    „Also so geht das ja mal gar nicht.“


    Sie griff zur Bürste, kämmte sich die Haare und band diese dann zu einem Knoten im Nacken zusammen. Sie hatte die Nacht gearbeitet und sollte eigentlich erst heute Abend wieder ran, aber dieses Beben war zu ungewöhnlich. Sie wunderte sich, dass sie keine Maschinen hörte. Als sie in die große Werkshalle kam, staunte sie nicht schlecht. Es war dunkel. Das Licht war aus, die Maschinen ragten in die Höhe wie unheimliche Riesen, doch kein Elf war zu sehen. Sie drehte sich nach rechts und eilte, laut Namen rufend, die Treppe hinab.


    „BOBBY? KIKI? MEISTER FROOP? KALLE? NINI?“


    Doch es erschallte keine Antwort. Am unteren Ende angekommen, holte sie erst einmal tief Luft, ging einen Schritt weiter und stolperte. Sie reagierte zu langsam und fiel hin.


    „Verflucht, es ist viel zu dunkel hier.“


    Sie drehte den Kopf und blickte auf ein Paar Beine, über die sie gestolpert war. Nachdem sie sich erhoben hatte, ging sie ängstlich zurück und atmete erleichtert aus. Es war nur eine lebensgroße Puppe einer Elfe. Doch es war immer noch kein Elf weit und breit zu sehen. Sie atmete tief ein und aus und entschied sich, zum Weihnachtsmann zu laufen. Er konnte ihr bestimmt beantworten, was hier passiert war. Sie eilte durch die Halle.


    Ein Knistern erklang und sofort schnellte ihr Kopf nach links oben. Einer der Lautsprecher fing an zu reagieren.


    „Krchchrhcrhrhchr … Gefahr … Krchchcrcrhcrh … Entdeckung … Krchcrchcrhcr … VERDAMMT!“


    Stille! Die kleine Elfe dachte nach. Es war eindeutig die Stimme des Chefs, aber er klang wütend. So hatte sie ihn in ihrem ganzen Elfen Leben nur einmal erlebt und das war, als die Geschenkebelademaschine ausgefallen war und alle Elfen die Geschenke per Hand einpacken mussten. Meister Frood, der König der Geschenkestapler war an dem Tag auch noch krank geworden und konnte nicht mithelfen. So hatte der Chef einen halben Tag weniger Zeit gehabt, die Geschenke zu verteilen.


    Ellie seufzte, sie musste irgendwie zum Chef gelangen. Sie musste also die richtigen Räume finden, denn das Gebäude war schon leicht labyrinthisch aufgebaut.


    Nachdem sie mit geschlossenen Augen die Türen abgezählt hatte, stand sie vor einer unscheinbaren gräulichen Tür. Sie öffnete diese und stand inmitten wohlriechender Lebensmittel. Die Speisekammer. Verlockend duftend. Normalerweise wurden hier fleißig Lebensmittel rausgeholt für die Mahlzeiten und eingelagert, für ein späteres Verwenden. Doch nun war auch hier alles dunkel und farblos. Das Rot der Tomaten war ebenso verschwunden, wie das Grün der Gurken und das Gelb der Ananas. Selbst die rotweiß gestreiften Zuckerstangen und die regenbogenfarbigen Bonbons waren grau. Die kleine Elfe strich mit beiden Händen an den Regalen entlang, während sie zwischen diesen hindurchging, während sie zum zweiten Ausgang ging. Die Dunkelheit legte sich schwer auf das Herz der kleinen Elfe, die normalerweise für jeden Spaß zu haben war, doch es schien, als würden die Schatten und die Farblosigkeit versuchen auch ihre Farben an sich zu reißen und auszulöschen. Ellie kniff die Augen zusammen, blieb kurz stehen und beruhigte ihren Puls. Dann blinzelte sie und straffte sich. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Wie nach einem unsichtbaren Zeichen zogen sich die schwarzen Finger zurück und versteckten sich oder war es ihre neu gewonnene Selbstsicherheit. Egal! Hauptsache, sie hatte keine Angst mehr. Als sie am zweiten Ausgang ankam, blickte sie enttäuscht auf ein Zahlenschloss. Verflixt, daran hätte sie denken müssen. Die Türen in den „Sicherheitsbereich“ der Werkstatt hatten ein eigenes Zahlenschloss und nur diejenigen, die Zugang erhalten sollten, erhielten natürlich den Code. Doch dann fiel ihr ein Satz ein, den Rudi ihr einmal gesagt hatte. Rudi war der Küchenchef und er gab Ellie immer gern etwas mehr zu essen, weil sie noch so klein und zierlich war.


    „Ellie, selbst wenn nur wir diesen Code kennen, denke stets daran, ein wachsames Auge findet alles und ein starker Wille kann sich zu jedem Raum Zutritt verschaffen, besonders, wenn die Not am Größten ist.“


    ‚Denk nach, Ellie. Denk nach!‘


    Es dauerte eine Weile, bis sie sich erinnerte, wo die Küchenmannschaft, Rudi eingeschlossen, den notierten Code versteckt hatten. Es war Regel für jeden Elf, dass er die Tür zur Speisekammer nach dem Betreten zuzog, damit kein Unbefugter sich reinschleichen konnte. Ellie eilte zu dem Schreibtisch, stellte sich darauf und zog eine kleine Schachtel aus einem kleinen Loch in der Wand, welches hinter einem Bild verborgen war. Sie öffnete die Schachtel und zog einen Zettel heraus. 3 Zahlen standen darauf, sie prägte sich diese ein und versteckte alles wieder so sorgfältig, damit es geheim blieb. Sie kicherte kurz, als sie sich zurückerinnerte, warum diese Notlösung eingerichtet wurde. Rudi hatte ein Festmahl für den Chef kochen wollen und hatte vor lauter Rezeptgrübelei den Code total vergessen und steckte dann 3 Tage fest, da es Wochenende war und dann auch noch ein freies Wochenende. Die freien Wochenenden sind selten und dann läuft in der Fabrik alles auf Sparflamme. Aber das nichts mehr lief, so wie jetzt, war hier noch nie passiert. Während Ellie die Tür öffnete, dachte sie darüber nach, den Code vielleicht irgendwo zu notieren, falls sie den Weg nochmal zurückmusste. Sie drehte doch nochmal um, riss sich ein leeres Blatt von dem Block, welcher auf dem Tisch lag, griff sich einen Stift und notierte fein säuberlich den Code und das Zimmer. Der Block war normalerweise für Notizen zur Nachbestellung gedacht, doch derzeit war alles in ausreichender Menge vorhanden. Sie faltete den Zettel zusammen und steckte Stift und Papier in ihre Tasche. Dann verließ sie die Speisekammer und schloss die Tür. Der Gang war dunkel, aber magische Lichter, nach jedem Meter, erleuchteten den Flur sanft. Es war auch still und leise hier, irgendwie unheimlich. Sie folgte dem Flur bis zum Ende und stand erneut vor einer verriegelten Tür. Sie drückte versuchsweise die Klinke und war überrascht, als die Tür quietschend aufschwang.


    ‚Ein bisschen Öl könnte die auch gebrauchen.‘


    Nach einer kurzen Zeit erblickte sie einen großen Raum und bemerkte, dass sie im Archiv stand. Die Küche war gegenüber der Speisekammer, das wusste sie, sie wusste nicht, dass auch das Archiv hier zu finden war. Aber hinter den verschlossenen Türen gab es allerlei zu entdecken. Sie schnupperte in den Raum und verzog das Gesicht. Es muffelte alt. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie große Aktenschränke, nach Jahren sortiert und an jeder Schublade stand ein anderes Land. Sie staunte nicht schlecht. So viele Aktenschränke? Natürlich, die Welt war groß und es gab Milliarden Kinder auf dieser Kugel. Die Jahre gingen zurück, da lebte die kleine Elfe noch gar nicht. Sie schüttelte schnell den Kopf und klopfte sich an eben diesen.


    ‚Du hast keine Zeit, du musst zum Chef. Aber musste er echt alles immer so labyrinthisch aufbauen?‘


    Sie riss sich zusammen und eilte durch den Raum. Die Tür an der anderen Seite war ein Glück unverschlossen, doch als sie diese öffnete, stand sie im nächsten Raum. Hier war eines der vielen Büros, in denen man das Organisatorische besprach. Überall lagen Post-It's verteilt, Zettel, zerknüllt oder glatt, Stifte, Textmarker, Pinnwandnadeln. Vorsichtig hüpfte Ellie auf die freien Bodenstellen, um nicht in eine der Nadeln zu treten. Fluchend trat sie kurz vor der letzten Tür doch in eine Nadel. Die Sohlen der Elfenschuhe waren einfach zu dünn. Jedes Jahr bemerkte es Ellie und jedes Jahr vergaß sie es, zu melden. Auf einem Bein hüpfend öffnete sie die Tür und verließ das Büro.


    Bevor sie zum Büro des Weihnachtsmannes kam, durchquerte sie noch einen Konferenzraum, den Hologrammraum, die Bibliothek und das Labor. Die Tür zum Büro vom Chef war angelehnt. Zaghaft klopfte sie an.


    „Verflucht…“


    Es krachte laut, dann hörte sie ein Brummen.


    „Herein“


    Ellie drückte die Tür auf.


    „Weihnachtsmann?“


    Der große bärtige Mann starrte sie an und ließ vor Schreck den Stapel Papiere fallen.


    „Ellie?“


    Dann eilte er auf sie zu, hob sie vorsichtig an und drückte sie.


    „Ein Wunder, du lebst. Komm, komm mal her. Du kannst mir einen großen Dienst erweisen.“


    Die kleine Elfe des Spaßes war verwirrt, doch dann folgte sie dem Chef zu einer Zeichnung, die auf dem Boden lag.


    „Ich habe einen großen Fehler gemacht, wobei, nein, eigentlich habe ich nur das gemacht, was jeder machen würde, in einem Notfall. Die Wirkung war nur leider nicht so, wie ich es mir gewünscht habe.“


    Bevor der Weihnachtsmann weiter abschweifen konnte, räusperte sich Ellie.


    „Ach ja, der Gefallen.“


    Er zeigte mit seinem Zeigefinger auf einen kleinen Raum, der laut Bauplan in 1-2 Ebenen über diesem Raum angesiedelt sein soll. Ellie musterte den Plan und prägte sich alles ein.


    „Und was muss ich da machen?“


    „Das ist die Kommandozentrale. Dort befindet sich ein grüner großer Knopf. Den musst du drücken.“


    Verlegen räusperte er sich und gab dann zu.


    „Die Werkstatt stand kurz vor ihrer Entdeckung und ich habe doch dieses Sicherheitssystem einbauen lassen. Nun, beim Druck auf den Knopf habe ich scheinbar irgendetwas verändert. Ich weiß nur nicht was und ich finde die Beschreibung zu dem System nicht mehr. Du musst diesen Knopf drücken. Und zwar schnell. Ich weiß auch nicht, was mit den Elfen passiert ist.“


    „Jawohl Chef. Ich beeile mich.“


    Damit war Ellie auf dem Absatz umgedreht und eilte los. Laut dem Plan musste sie über die Dächer, was ihr gar nicht behagte. Sie hatte kein warmes Kleid an und es war kalt am Nordpol. Aber sie musste da durch. Sie atmete tief ein und stieß die, leicht vereiste, Tür auf. Sofort brauste ein eiskalter Wind in das Gebäude. Ellie fing an zu zittern. Sie schlang ihre Arme um den Oberkörper und trat hinaus. Hinter sich drückte sie die Tür wieder zu. Zähne klappernd schritt sie voran. Ein komisches Gefühl ließ sie stehen bleiben und nach oben blicken. Ein lauter Schrei entfuhr ihr, als sie ein riesiges Auge über sich sah. Wie versteinert blieb sie stehen. Das Auge entfernte sich etwas und ein Hauch kam auf sie zu, doch anstatt, dass sie weggeweht wurde, schlug der Atem gegen eine Glasscheibe. Eine gewölbte Scheibe. Verwirrt setzte Ellie sich hin. Das war gar kein Riese. Die Werkstatt wurde…


    „Kchrchrcrhcrh … GEFUNDEN! … Krchchchrch … dieser Notfallknopf … krchrchrhrh … Werkstatt … krchchchchch …“


    ‚wurde geschrumpft…‘


    Vollendete Ellie in Gedanken den Satz. Die Werkstatt wurde tatsächlich geschrumpft. Sie selbst war nun Teil einer Miniatur in einer Schneekugel, die sie so gerne sammelte. Das erklärte aber nicht, wo die Elfen alle geblieben waren. Sie rappelte sich auf und eilte geduckt über das Dach. Am anderen Ende angekommen, riss sie die weitere Tür auf und sprang hinein, nur um festzustellen, dass es hier stockfinster war. Kein Licht, keine magische Flamme, nur Schwärze und Dunkelheit. Ein Rauschen erklang, dann ein Knistern.


    „Heureka. Ich habe das Kommunikationssystem wieder in Gang gebracht. Nach meinen Berechnungen müsstest du nun in einem Tunnel angekommen sein. Der geht etwas bergauf in einem weiten Bogen. Ich glaube, die Gefahr ist weiter gegangen. Wir können problemlos das Notfallsystem deaktivieren.“


    Ellie seufzte, begab sich auf alle Viere und tastete sich voran, vorsichtig, doch sie fand keine Unebenheit, kam nur etwas langsamer voran, aber sicherer. Es kam ihr vor, wie eine Ewigkeit, bis sie, unvorsichtig, mit dem Kopf gegen eine Tür stieß.


    ‚Aua‘


    Sie stand wieder auf, schlug sich den Dreck von den Knien und vom Kleid und tastete nach der Türklinke. Als sie diese gefunden hatte, drückte sie zu und die Tür schwang auf. Gleißendes Licht blendete sie. Ellie hielt die Hand vor die Augen und kniff diese zu. Erst nach einer Weile konnte sie etwas erkennen. Vor ihr befand sich ein riesiges Pult, auf dem Lichter blinkten und von denen Töne erklangen. Staunend betrat sie den Raum. Sie blickte sich um, kein Lautsprecher, keine Lampen, aber sie sah den großen grünen Knopf. Sie eilte dahin und drückte rauf. Ein Rumpeln und Beben startete, so dass die kleine Elfe rücklings zu Boden plumpste.


    ‚Ach menno.‘


    In ihren Augen tat sich nichts Besonderes, aber von draußen flammte es plötzlich. Sie drehte den Kopf und sah, dass der Flur hell erleuchtet war.


    ‚Ja klar. JETZT.‘


    Sie erhob sich wieder und eilte den Tunnel entlang. Als sie die Tür zum Dach öffnete, sah sie die Schneeflocken wieder. Jetzt wusste sie, was vorhin gefehlt hatte. Kein Wind, keine Schneeflocken und keine Klänge. Nun heulte wieder der Wind, und wirbelte tanzend die Flocken auf.


    „Du hast es geschafft, Ellie. Und ich höre die anderen Elfen. Komm zu mir herunter.“


    Ellie eilte über das Dach, rutschte fast weg und erreichte dann doch aufrecht die andere Tür. So schnell sie konnte eilte sie, erst zum Weihnachtsmann, dann mit ihm in die große Werkstatthalle. Der Chef wusste einen Weg, ohne durch die einzelnen Räume zu müssen. Er öffnete eine Wandvertäfelung und lud Ellie ein, über die Rutsche nach unten zu gelangen und die Elfe nahm dieses Angebot sofort ab. Laut schreiend und jubelnd rutschte sie hinunter, der Weihnachtsmann folgt dunkel grölend. Beide landeten auf einer großen Matte, natürlich nicht aufeinander, sondern nebeneinander. Als Ellie den Kopf hob und die Augen öffnete, stand Bobby vor ihr. Er half ihr auf und drückte sie fest.


    „Wo wart ihr denn?“


    Bobby blickte leicht verlegen auf den Boden.


    „Wir hatten Angst bekommen und sind alle in den Kellerbunker gerannt und haben total vergessen, dass du ja noch geschlafen hattest. Aber ohne dich wären wir nicht gerettet worden.“


    „Na klar, ihr seid Angsthasen.“


    Antwortete sie lachend, aber erleichtert. Die Maschinen wurden wieder angeschmissen und der bekannte Lärm erfüllte die Leere. Endlich konnte die Produktion wieder beginnen.


    „Was war eigentlich passiert?“


    Der Weihnachtsmann saß immer noch auf der Matte.


    „Ein Mensch kam uns zu nahe und ich habe den roten Notfallknopf gedrückt. Leider wusste ich nicht, dass dieser Knopf bewirkte, dass wir in eine Schneekugel geschrumpft werden. Da muss ich mit dem Erfinder aber ein ernstes Wörtchen reden. Aber wir wurden nicht entdeckt. Somit war der Erfolg auf jeden Fall gesichert. Jetzt aber hurtig an die Arbeit.“


    Der Mann wedelte mit seinen Händen und die Elfen rannten kichernd los. Ellie folgte ihnen und freute sich, das alle wieder hier waren.

    Hier kommen Wünsche, Ideen und Herausforderungen zu Games hinein.


    Am liebsten wäre es mir, wenn ihr in der Beschreibung mit vermerkt, um welches Game es sich handelt ;)

    Hier könnt ihr eure Ideen reinschreiben oder mir vielleicht Ideen geben, für neue Stories.


    Ob ich sie tatsächlich als neue Storygrundlage verwende, ist allerdings nicht garantiert.

    Es dunkelte und wie in den letzten Nächten saß ich noch eine Weile an dem Rundtisch in meinem Schlafzimmer, trank einen Schluck Cognac und blickte in die Dunkelheit. Die letzte Woche war ereignisreich gewesen, die Geschäfte liefen gut und so hatte ich mir einen teureren Cognac geleistet. Nachdem ich das Glas geleert hatte, zog ich mich um und legte mich unter die Decke. Ich griff nach oben und schaltete das Licht aus. Schwärze umgab mich und ich schlief schnell ein.


    "Signore Puzo. Sie haben verschlafen. Man erwartet sie im Salon."


    Ich schrecke hoch, gleißendes Sonnenlicht durchflutet mein Zimmer und der Diener steht an meinem Bett. Verschlafen, ich? Ich blickte auf die Uhr und musste feststellen, dass es stimmte. Hatte ich doch um 8h einen wichtigen Termin, zeigte mir die Uhr 8:30 an. Ich schlüpfte aus dem Bett, zog mir eilig meinen Anzug an, richtete meine Krawatte. Mit gespreizten Fingern fuhr ich mir durchs kurze Haar, dann noch die Schuhe und in weniger als 5 Minuten war ich mit einer Katzenwäsche vor dem Salon. Ich stutzte. Ich hatte einen Geschäftspartner eingeladen und dieser war alleinstehend. Dennoch ertönte ein weibliches Kichern durch die Eichenholztür. Ich atmete tief ein und drückte die Klinke hinab. Ein großer stämmiger Mann saß auf dem Sofa, rauchte eine Zigarre, ihm schräg gegenüber eine junge Frau mit gelocktem blondem Haar. Ihre Kleidung schien aus einem anderen Jahrhundert zu stammen und dennoch war sie angemessen für diese Räumlichkeiten. Ich räusperte mich, musste aber die junge Frau unwillkürlich weiter anblicken.


    "Ah mein lieber Vittorio. Gestern einen Cognac zu viel getrunken?"


    Er lachte lautstark. Seine Stimme hatte einen tiefen Basston und dennoch wirkte er wie ein Vater für mich. Man sollte ihn jedoch nicht unterschätzen. Ich trat auf ihn zu und wir gaben uns die Hand.


    "Darf ich dir meine liebliche Begleitung vorstellen. Miss Priscilla Barnet, Engländerin."


    Ich verneigte mich vor der Dame und gab ihr, wie es sich scheinbar gehörte in ihrem Umfeld, die Andeutung eines Handkusses.


    "Wenn sie aus England kommen, ist es kein Wunder, dass ich sie noch nie gesehen habe, Miss Barnet."


    Ich zog mich zurück und musste erst einmal tief durchatmen. Sie hatte etwas exotisches an sich, etwas Anziehendes und doch schien es, dass man sehr vorsichtig sein musste, ihr gegenüber. Das Geschäft war schnell erledigt und mein Gast zog sich zurück. Miss Barnet blieb allerdings sitzen und schien mich mit ihren blauen Augen durchbohren zu wollen. Ich war etwas verwirrt, dass sie nicht ebenfalls aufstand.


    "Wollen sie etwas zu trinken?"


    Ich wandte mich an einen Schrank aus Eichenholz, öffnete die Tür und holte ein Glas heraus. ich hörte es hinter mir rascheln und als ich mich umdrehte, stand Miss Barnet direkt vor mir. Ihre Hand fuhr sanft an meinem Arm entlang, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und näherte sich meinem Gesicht. Mir wurde heiß, was sollte das werden?


    "MIAU"


    Ich schreckte hoch und blickte mich im dunklen Zimmer um.


    "Capone, runter mit dir. Es ist mitten in der Nacht!"


    Es war ein Traum!